J.
Das Deutsche Reich von 1871 bis 1878.
1. Kaiser und Reich.
Der Beginn des Jahres 1871 setzt der deutschen Geschichte für alle Zeiten den
bedeutsamsten Markstein.
Hier stehen wir Deutschen an der Grenze schwerer Vergangenheit, vor ver-
heißungsvoller Zukunst.
Noch fließen freilich in zitternden Linien das Gestern, Heute und Morgen in-
einander. Noch kämpsen wir an der Schwelle des neuen Jahres den alten tausend-
jährigen Kampf um unser Dasein und Volkstum gegen den mächtigsten Nachbar.
Noch stehen vor uns heiße Schlachten, neue teure Blutopfer, ehe der letzte Widerstand
des tapseren Feindes gebrochen ist und die Friedensglocken über das deutsche Land er-
tönen können. Ja, selbst in den unvergleichlichen Weihestunden, welche dieser heilige
Krieg und der ersehnte Friede unserem Volke bereitet, selbst da regen sich schon jene
finsteren Gestalten, welche unsere Zukunft verdüstern wollen, die Todfeinde eines mäch-
tigen einigen Deutschland: die streitbare Schar des römischen Papsttums und die
unheimliche Gesellschaft der vaterlandslosen Sozialdemokratie.
Aber dennoch blickt der Deutsche an der Schwelle des neuen Jahres mit un-
erschütterlicher Zuversicht in die dunkle Zukunft. Denn er hat in dem schwersten und
ruhmreichsten Kriege für immer abgethan die innere deutsche Zerrissenheit und Zwie-
tracht, welche von jeher unserer Ohnmacht und Unfreiheit Wurzel war. Das teure
Blut, welches alle deutschen Stämme so reichlich auf Frankreichs Erde vergossen haben,
bildet einen Kitt unserer Einheit und Freiheit, den keine Erdemmacht jemals wieder
lösen kann. Alles, was uns ehedem trennte und widereinander führte, ist vergeben
und vergessen in dieser gemeinsamen Blutsbrüderschast. Um ein Jahrhundert schon
scheint die Zeit zurückzuliegen, da deutsche Stämme in blutigem Bürgerkriege gegen-
einander rangen; und doch sind mur erst kurze vier Jahre seither verslossen. Frei-
lich hat inzwischen der Norddeutsche Bund und das deutsche Zollparlament in hingeben-
Blum, Das Deutsche Nelch zur Zeit Biemarcks. 1