§ 29. Entmündigung. 93
Dagegen kommt es auf die Art des Gebrechens nicht an: sowohl krankhafte Exaltation
wie krankhafter Stumpfsinn können je nach ihrem Grade Geisteskrankheit oder Geistesschwäche
sein. Ebenso ist es für die Unterscheidung von Geisteskrankheit und Geistesschwäche gleich-
gültig, ob das Gebrechen angeboren oder nachträglich entstanden ist.5
Geisteskrankheit und Geistesschwäche rechtfertigen die Entmündigung nur, wenn sie an-
dauernd sind; doch genügen auch vorübergehende Krankheitsanfälle, wenn, wie z. B. bei Epi-
leptikern, ihre Wiederkehr zu befürchten ist.“ Unheibarkeit des Leidens ist nicht erforderlich.
Die Entmündigung ist auch dann statthaft, wenn der Kranke durch sein Leiden nur
an der Besorgung bestimmter einzelner Angelegenheiten behindert ist,5 wie das z. B. bei
gewissen fixen Ideen, Querulantenwahn u. dgl. leicht der Fall sein kann. Sie ist aber eben
nur statthaft (6: entmündigt „kann“ werden usw.), nicht notwendig: das Gericht hat nach
freiem Ermessen zu entscheiden, ob die Behinderung wichtig genug ist, um die Entmündigung
zu rechtfertigen. 5
Entmündigte Geisteskranke und Geisteskranke, die in ein Irrenhaus ausgenommen
sind, sind nicht identisch. Denn weder bringt die Entmündigung notwendig die Überführung
in ein Irrenhaus noch umgekehrt die Uberführung in ein Irrenhaus notwendig die Ent-
mündigung mit sich.“
66) Verschwendung ist Entmündigungsgrund, wenn sie nicht bloß
leichtsinnig, unvernünftig, anstößig, sondern geradezu gefährlich ist, d. h. den
Verschwender selbst oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt.
Notstand ist aber nicht gleich einer die Armenunterstützung herausfordernden
Verarmung, sondern bedeutet eine Vermögenslage, die eine standesgemäße
Lebensführung des Verschwenders und seiner Familie nicht gestattet.
7)) Trunksucht ist Entmündigungsgrund, wenn der Trinker seine An-
gelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr
des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit andrer gefährdet.
8) Die Entmündigung wird der Regel nach nur Volljährige treffen, weil
sie bei Minderjährigen meist zwecklos sein wird. Ausnahmsweise kann sie
aber aus guten Gründen auch bei Minderjährigen vorkommen, namentlich
um ihnen die Testamentsmündigkeit, die, wie wir sahn, bei einem nicht ent-
mündigten Minderjährigen mit dem Beginn des 17. Lebensjahrs anfängt, zu
entziehn (2229).
o) Die Entmündigung geschieht nur auf Antrag. Antragsberechtigt ist
der Ehegatte oder der Gewalthaber, unter Umständen auch ein beliebiger Ver-
wandter. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche kann
auch vom Staatsanwalt beantragt werden (ZPO. 645 Abs. 2, 646, 680
Abs. 2—4. Siehe auch ebenda 680 Abs. 5; sächs. Ges. v. 20. Juni 00 § 9).
4) Die Entmündigung kann auf Antrag jederzeit wieder aufgehoben
werden. Geschieht dies nicht, so gilt sie auf Lebenszeit; davon daß sie, wie
die Todeserklärung, von jedem Gegeninteressenten durch einen einfachen Gegen-
beweis entkräftet werden könnte, ist keine Rede. Zuständig zur Wiederauf-
hebung ist bald das Amts-, bald das ihm übergeordnete Landgericht (3P.
664, 665, 675, 676 Abs. 1, 679, 684, 685, 686).
3) Schultze a. a. O. S. 102. 4) Schultze a. a. O. 99. 5) Abw. RG. 50 S. 205.
6) Schulte a. a. O. S. 966. 7)) Zitelmann, Rechtsgeschäfte S. 81.