110 Buch I. Abschnitt 3. Die Rechtsinhaber.
c) Ordensgeistliche galten mit Rücksicht aufihr Armutsgelöbnis nach
kanonischem Recht als vermögensunfähig; ihr ganzes Vermögen, mochten sie es
schon zur Zeit der Profeßleistung besitzen oder später erwerben, fiel an ihren
Orden.?? Auch das weltliche Recht?s nahm im Mittelalter bis in die neueste
Zeit Vermögensunfähigkeit der Ordensgeistlichen an, ließ aber meistens das
Vermögen, das sie zur Zeit der Profeßleistung besaßen, nicht an den Orden,
sondern an ihre nächsten Erben fallen; nach der Profeßleistung sollten sie weder
durch Erbschaft noch durch Rechtsgeschäft einen Erwerb machen können. Hier-
nach, und da sie auch keine Familienrechte haben konnten, waren die Ordens-
geistlichen bürgerlich tot.
5. Ehrlose mußten ihren Makel im Mittelalter rechtlich schwerer büßen
als jetzt, indem sie z. B. in gewissem Umfang für nicht erbfähig erklärt
wurden.:" Eine besondre Art der Ehrenminderung war die Anrüchigkeit,
mit der alle unehelich Geborenen sowie Personen, die ein zwar nicht unsittliches,
aber doch verrufenes Gewerbe betrieben, z. B. fahrende Musikanten und Ab-
decker samt ihren Nachkommen, behaftet waren; die Anrüchigkeit ist aber im Lauf
des 18. Jahrhunderts fast ganz verschwunden; am längsten hat sie den
Abdeckern angeklebt: noch ein Reichsgesetz von 1772 ließ sie in Verruf.=
6. Im Mittelalter galt die Ungläubigkeit als schweres Verbrechen:
alle Ungläubigen cchristliche Ketzer, Juden, Gottlose) waren deshalb, soweit sie
überhaupt mit dem Leben davonkamen, den schwersten Rechtsnachteilen aus-
gesetzt.! Seit der Reformation ist die Strafbarkeit der Ketzerei zu gunsten
der drei christlichen Hauptbekenntnisse (des katholischen, des lutherischen und
des reformierten) aufgehoben, zuerst durch den Augsburger Religionsfrieden von
1555, dann nachdrücklicher durch den Westfälischen Frieden von 1648.37
Immerhin durfte auch jetzt noch der Landesherr die Andersgläubigen aus
seinen Landen weisen, soweit ihnen nicht der Besitzstand des Jahres 1624 zu-
gute kam; und wenn er sie in seinen Landen ließ, hat er sie — freilich jenen
Reichsfriedensgesetzen zuwider — oft genug privatrechtlich schwer benachteiligt
indem er ihnen z. B. den Grunderwerb verbot.:s Erst die deutsche Bundes-
akte von 1815 hat den drei Hauptbekenntnissen in ganz Deutschland die volle
bürgerliche Gleichberechtigung zugesagt.?? — Die christlichen Sektierer sowie
die sog. Dissidenten sind weder durch die vorgenannten Friedensgesetze noch
durch die deutsche Bundesakte ° geschützt. Sie wurden deshalb in manchen
Gebieten sehr gedrückt: selbst Preußen hat z. B. den Mennoniten noch bis
21) Ssp. I, 5 § 3; Friedberg, Kirchenrecht § 179 IV, 143 II.
22) Friedberg a. a. O. 8 88 V. »
23)Ssp.1,25§1;pr.LR.Il,11§1199.chrBaycrns.Friedberg§8887.
24)Ssp.1,38§1;Stobbe1§47.
25)Ssp.1,38§1;Stobbe1§§47,48.
26)Ssp.ll,13§7. 27) Instr. pacis Osnabr. V, 35.
28) Stobbe 1 § 453. 29) Bundesakte 16.
30) Trotz ihres Wortlauts, Kraut § 52 Nr. 8.