124 Buch I. Abschnitt 4. Die Rechtsgegenstände.
eine aus mehreren unwesentlichen „Bestandteilen“ bestehende „Sacheinheit“ oder
als einen aus mehreren „Sacheinheiten“ bestehenden „Sachinbegriff“ auffaßt.
Beispiele. I. BGB. 1048 stellt gewisse Regeln über das Inventar eines Grundstücks,
also über einen Sachinbegriff, auf. Was zu diesem Inventar gehört, ist aber gesetzlich nicht
bestimmt. Maßgebend ist nur die Verkehrssitte. II. 1. A. hat während einer langen Reise
alle seine Habseligkeiten, die er daheim ließ, dem B. in Verwahrung gegeben; von der Reise
aus trifft er über die bei B. lagernden Sachen einige Verfügungen: unter anderm verschenkt
er seine „Bibliothek“ an C. und übereignet sie ihm dadurch, daß er ihm seinen gegen B.
gerichteten Anspruch auf Herausgabe der „Bibliothek“ abtritt (931). Hier wird das Eigen-
tum der Bibliothek auf C. durch einen einzigen Gesamtakt übertragen, gerade so, als sei sie
eine einzige Fahrnissache. 2. Gleicher Fall; nur hat A. sich bei der Schenkung das Eigen-
tum eines einzelnen bestimmten Buchs vorbehalten; auch stellt sich später heraus, daß ein
andres in A.3 Bibliothek befindliches Buch gar nicht dem A. gehörte, weil D., von dem A.
es erworben, es dem E. gestohlen hatte (935). Hier erwirbt B. das Eigentum der Bibliothek
ohne diese beiden Bücher. Denn beide werden ja wie unwesentliche Sachbestandteile be-
handelt und teilen deshalb das dinglichrechtliche Schicksal der Bibliothek nicht mit zwingender
Notwendigkeit. Der Fall liegt also ebenso, wie wenn eine Dame ein altes mit Spitzen gar-
niertes Seidenkleid ihrer Jungfer verschenkt und sich dabei das Eigentum der Spitzen vor-
behält oder nachträglich erfährt, daß der Händler, von dem sie jene Spitzen erworben, sie
gestohlen hatte. Denn auch hier erwirbt die Jungser das Eigentum des Kleides ohne die
Spitzen; und doch ist nicht zu bezweifeln, daß jenes Seidenkleid samt den Spitzen eine ein-
heitliche „Sache“ war. 3. Man kann darüber streiten, ob ein Mikroskop, bestehend aus Stativ,
Objektiv und Okular, eine einzige Sacheinheit oder ein aus drei Sacheinheiten bestehender
Sachinbegriff ist. Indes wären, wenn man ersteres annimmt, Objektiv und Okular un-
wesentliche Sachbestandteile, da sic beliebig ausgewechselt werden können. Der Streit ist also
rechtlich ohne Belang.
Wenn mehrere Grundstücke gemeinsam bewirtschaftet werden, können sie zusammen, also
als „Sachinbegriff“, ein Landgut bilden,?5 auch wenn jedes einzelne Grundstück, für sich ge-
nommen, nicht als Landgut gelten könnte; ja es ist sogar unschädlich, wenn eines dieser
Grundstücke ein Ziergarten, ein Kinderspielplatz, ein Forst ist: obschon selber nicht landwirt-
schaftlich, kann es doch Stück eines Landguts sein, sofern nur die übrigen zu dem Gut ge-
hörigen Grundstücke diesem den Charakter eines Landguts gewähren.
V. Die meisten der zu IIV aufgestellten Regeln sind umstritten, und bei der Unklar-
heit der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen ist nicht abzusehen, wie dem Streit ein Ende
gemacht werden soll.
1. a) Das Reichsgericht nimmt an, daß Gegenstände, die mit dem Erdboden nicht fest
verbunden sind, zwar nicht nach BGB. 94, wohl aber nach BB. 93 Grundstücksbestandteile
sein können,? während ich annehme, daß BGB. 94 die Grundstücksbestandteile erschöpfend
bestimmen will.
b) Schließt man sich der Meinung des Reichsgerichts, daß BGB. 94 die Grundstücks-
bestandteile nicht erschöpfend bestimme, an, so muß man annehmen, daß ein Grundstück außer
den Teilgrundstücken und den mit dem Eigentum verbundenen Rechten (oben S. 121) noch andre
unwesentliche Bestandteile haben könne; hierher würden z. B. Gegenstände gehören, die in
ein Gebäude zu einem nicht bloß vorübergehenden Zweck eingefügt sind, aber nicht „zur
Herstellung des Gebäudes“ dienen (s. 94, 95). Ein Beispiel wäre eine Gedenktasel, die von
irgendeinem Komitee an dem Geburtshause einer Berühmtheit mit Erlaubnis des Haus-
eigentümers für ewige Zeiten angebracht worden ist.
2. Heftig bestritten ist die oben vorgetragene, vom Reichsgericht gebilligte Meinung,
daß eine Maschine, dic in ein Fabrikgebäude dauernd eingefügt ist, wesentlicher Bestandteil
des Gebäudes sein soll.?7
25) Planck Anm. 3 zu § 98. 26) R. 62 S. 406, 63 S. 174.
27) Siehe oben bei Anm. 24.