Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 47. Rein= und Rohertrag. 8 47a. Sachfrüchte. 137 
von Pflanze oder Tier, die sich noch bei Lebzeiten der Muttersache von ihr 
ablösen lassen oder selber ablösen; 
6S 6 als Erzeugnisse eines Grundstücks alle Pflanzen, die mit dem Erd- 
reich des Muttergrundstücks fest verbunden sind, es sei denn, daß die Ver- 
bindung nur zu einem vorübergehenden Zweck geschah.2 
Beispiele. I. 1. Bei der Tanne im Walde ist fruchttragende Sache das Waldgrundstück; 
Erzeugnis ist der ganze Tannenbaum von der Wurzel bis zum Wipfel. 2. Bei dem Orange- 
bäumchen im Kübel ist fruchttragende Sache nicht etwa das Erdreich des Kübels, sondern 
das Bäumchen selber; Erzeugnis sind nur diejenigen Bestandteile des Bäunchens, die es nicht 
für sein Fortleben braucht, also z. B. seine Blüten und Früchte, nicht aber sein Stamm. 
II. Erzeugnisse einer Kuh sind das Kalb, die Milch, der Mist, nicht aber auch das Fleisch, 
die Knochen, das Fell; denn zwar die ersten, nicht aber auch die letzten drei Dinge können 
der Kuh noch bei ihren Lebzeiten abgewonnen werden. III. Wenn jemand einen Rhodo- 
dendronstrauch kauft und erst provisorisch in einen von ihm gemieteten, dann aber endgültig 
in einen von ihm gekauften Garten einpflanzt, wird der Strauch sofort zum Erzeugnis des 
zweiten gekauften Gartens; dagegen ist er nicht etwa vorübergehend auch Erzeugnis des ersten 
gemieteten Gartens gewesen (s. 95 1I). IV. Die normale Bestimmung eines Weinberges ist 
es, seinem Besitzer nicht Rebstöcke, sondern Trauben zu liefern; dennoch gelten nicht bloß 
die Trauben, sondern die ganzen Rebstöcke als Erzeugnis, also als Frucht des Weinbergs. 
Gegen die Entscheidung zu III kann man einwenden, daß ein Strauch, der eben erst 
in ein Grundstück eingepflanzt ist, unmöglich als dessen Erzeugnis gelten kann. Das ist 
richtig. Ebenso richtig ist aber, daß ein Grundstück überhaupt keine Sträucher „erzeugen“ 
kann. Man darf also auf diesen Ausdruck kein Gewicht legen. Jedenfalls wäre es praktisch 
so verkehrt wie möglich, wenn man ungepflanzte Sträucher juristisch anders behandeln wollte 
als autochthone. 
Eine Sonderbestimmung gilt für Früchte, die über die Grundstücksgrenze fallen (911). 
Hierüber siehe unten § 210 IX. 
8) Eine sonstige bestimmungsmäßige Ausbeute in dem hier 
maßgebenden Sinn findet sich nur bei Grundstücken.? Und zwar umfaßt diese 
Ausbeute sämtliche unorganische Bodenbestandteile des Muttergrundstücks sowie 
das dem Muttergrundstück abgewonnene Wasser,: vorausgesetzt, daß die Ab- 
trennung der Bodenbestandteile und die Fortnahme des Wassers der wirt- 
schaftlichen Bestimmung des Grundstücks entspricht. 
Beispiele. I. 1. Sonstige bestimmungsmäßige Ausbeute eines Grundstücks ist der 
Mergel, der in einem Mergelschacht gegraben, das Wasser, das aus einem Brunnen geschöpft 
wird, nicht aber auch das Abbruchmaterial eines abgerissenen Hauses, nicht der im Erdboden 
gesundene Schatz; denn nur die Bodenbestandteile und das Wasser eines Grundstücks gehören 
zu seiner Ausbeute. 2. Nicht bestimmungsmäßige Ausbeute ist das Fleisch eines geschlachteten 
Mastochsen, das Eisen einer unbrauchbar gewordenen, nicht mehr reparierbaren Maschine; 
denn eine solche Ausbeute kommt nur bei Grundstücken vor. II. Wenn sich unter einem 
Rübenfelde eine Schicht Kies befindet, ist der Kies nicht bestimmungsmäßige Ausbeute 
des Feldes; denn dessen Bestimmung ist es, Rüben, nicht aber Kies zu liefern. Anders, 
sobald der Besitzer sich entschließt, das Feld ganz oder teilweise in eine Kiesgrube zu 
verwandeln. 
Einen Beweis für die Richtigkeit unfrer Definition der Erzeugnisse und der sonstigen 
bestimmungsmäßigen Ausbeute läßt sich nur in der Art führen, daß man die aus dieser 
Definition sich ergebenden Schlüsse auf ihre praktische Brauchbarkeit hin untersucht. Hält 
man sich dagegen lediglich an den allgemeinen Sprachgebrauch, so könnte man ebensogut 
jede beliebige andre Definition rechtfertigen; so läßt sich z. B. sprachlich nichts dagegen ein- 
wenden, wenn man das Fleisch eines Mastochsen zur bestimmungsmäßigen Ausbeute des 
Ochsen rechnet.
	        
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