Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

138 Buch J. Abschnitt 4. Die Rechtsgegenstände. 
b) Juristische Früchte sind der Ertrag, den die Muttersache nicht 
durch organische oder mechanische Vorgänge, sondern „vermöge eines Rechts- 
verhältnisses“ gewährt (99 III). Derartige Früchte gibt es bei allen ertrags- 
fähigen Sachen, auch bei solchen, die keine natürlichen Früchte hervorbringen. 
a) Die juristischen Früchte sind ein „Ertrag" und zwar ein Rohertrag 
der Muttersache. Was hierunter zu verstehn, ist im vorhergehenden Para- 
graphen gezeigt. 
8) Sie müssen auf einem Rechtsverhältnis beruhn, und zwar? auf einem 
Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer oder Eigenbesitzer der Muttersache 
einer= und irgendeiner andern Person andrerseits. Meist entspringt das 
Rechtsverhältnis aus einem von dem Eigentümer oder Eigenbesitzer der Mutter- 
sache abgeschlossenen Vertrage, insbesondre einem Miet= oder Pachtvertrage, 
seltener aus einem gegen ihn verübten Delikt, einer gegen ihn angeordneten 
Enteignung usw. 
Beispiele. I. Wenn ein Bauer eine Wiese pachtet und den Pachtzins laut Verein- 
barung mit Kartoffeln bezahlt, die er auf einem ihm selbst gehörigen Felde gewonnen hat, 
sind die Kartoffeln natürliche Früchte dieses Feldes und zugleich juristische Früchte der 
Wiese. II. 1. Eine Nähmaschine kann keine natürlichen Früchte hervorbringen; sie wird 
aber sofort juristisch fruchtbar, sobald der Eigentümer sie vermietet. 2. Dagegen wird eine 
Flasche Wein (von Ausnahmefällen abgesehn) nicht einmal juristisch fruchtbar gemacht 
werden können. III. 1. Wenn jemand im Enteignungsverfahren genötigt wird, einen Teil 
seines Guts gegen eine Entschädigung von 12000 Mk. an eine Eisenbahn abzutreten und 
außerdem gegen eine monatliche Entschädigung von 20 Mk. zu gestatten, daß die Eisenbahn 
während des voraussichtlich zwei Jahre dauernden Baus auf einem andern Teil des Guts 
einen Schuppen errichtet, ist das Recht auf die 20 Mk., nicht aber auch das auf die 12000 Mk. 
Frucht des Guts. Denn nur das erstere Recht ist „Ertrag"“ des Guts. 2. Siehe ferner die 
Beispiele des § 47. IV. Wenn jemand ein Gut, das er dem Eigentümer abgepachtet hat, 
einem Dritten in Afterpacht gibt, ist nur der Anspruch des Eigentümers auf den Haupt-, 
nicht auch der des Pächters auf den Afterpachtzins Frucht des Guts. Freilich ist auch 
letzterer Anspruch Frucht. Er ist aber nicht Frucht des Pachtguts, sondern Frucht des 
Pachtrechts des Hauptpächters, gehört also nicht hierher, in die Gruppe der Sach-, sondern 
in die zu 2. zu besprechende Gruppe der Rechtsfrüchte. 
2. Rechtsfrüchte heißen die Früchte, wenn der fruchttragende Gegen- 
stand, von dem sie stammen, ein subjektives Recht ist. Und zwar sind sie der 
Ertrag, den das Recht bestimmungsmäßig gewährt (99 II, III). Sie finden 
sich deshalb bei allen subjektiven Rechten, die ertragsfähig sind. 
àa) Unter dem Ertrage ist auch hier der Rohertrag im Sinn des vorher- 
gehenden Paragraphen zu verstehn. 
b) Der Ertrag kann dem subjektiven Recht entweder dadurch abgewonnen 
werden, daß der Berechtigte das Recht unmittelbar ausübt, oder dadurch, daß 
zu dem Recht zusätzlich ein weiteres Rechtsverhältnis tritt und der Berechtigte 
einen Ertrag erst vermöge dieses weitern Rechtsverhältnisses gewinnt.? Dem- 
nach kann man die Rechtsfrüchte gerade wie die Sachfrüchte in natürliche 
(unmittelbare) und in juristische (mittelbare, zivile) teilen. 
c) Die wichtigsten subjektiven Rechte, die einen Ertrag und somit Rechts- 
früchte abwerfen, sind:
	        
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