Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 52. Mündelsichere Vermögensanlage. 145 
es bei städtischen Grundstücken innerhalb der ersten Hälfte, bei ländlichen Grundstücken inner- 
halb der ersten zwei Drittel des Werts des Pfandgrundstücks zu stehn kommt; der Wert 
kann durch gerichtliche Taxe oder durch Taxe einer genossenschaftlichen oder kommunalen 
öffentlichen Kreditanstalt, bei städtischen Grundstücken auch durch Taxe einer öffentlichen 
Feuerversicherungsanstalt ermittelt werden; andre Schätzungen, z. B. die neuern zwecks Ver- 
anlagung der Ergänzungssteuer vorgenommenen Taxationen, bleiben unberücksichtigt; auch 
der für das Pfandgrundstück zuletzt gezahlte Kaufpreis ist gleichgültig. 2. Ein Grundstücks- 
pfandrecht gilt zweitens als sicher, wenn es innerhalb des Fünfzehnfachen des staatlich er- 
mittelten Grundsteuerreinertrages des Pfandgrundstücks zu stehn kommt; falls dem Pfand- 
recht kein andres eintragungsbedürftiges Recht im Range vorgeht oder gleichsteht, tritt an 
Stelle des Fünszehnfachen das Zwanzig-, unter Umständen das Dreißig= oder gar Vierzig- 
sache des Grundsteuerreinertrages. Dem Grundsteuerreinertrage ist der Gebäudesteuer- 
nutzungswert nicht gleichgestellt; er bleibt also bei Prüfung der Mündelsicherheit eines 
Pfandgrundstücks außer Betracht. Demgemäß ist bei bebauten Grundstücken die Mündel- 
sicherheit nur durch Taxe zu ermitteln. II. Die andern Landesgesetze haben zum Teil ab- 
weichende Normen. So gelten z. B. in Bayern Hypotheken als mündelsicher, wenn sie inner- 
halb der ersten Hälfte des Grundstückswerts zu stehn kommen, ohne daß zwischen ländlichen 
und städtischen Grundstücken unterschieden wird. Die nämliche Regel gilt in Württemberg 
mit der Maßgabe, daß der Grundstückswert durch Taxe des Gemeinderats zu ermitteln ist 
und vorgehende Rechte von dem Taxwert im doppelten Betrage abzuziehn sind, sowie bei 
Grundstücken bis zum Wert von 300000 Mk. auch in Hamburg (AusfGes. Bayern 92, 
Württ. 68, Hamburg 74). 
2. Die Landesgesetze können, soweit sie bis zum Schluß des Jahres 1899 ergangen 
sind, den Kreis der regelmäßigen mündelsichern Anlagemittel erweitern (EG. 212). So gelten 
z. B. in Preußen als mündelsicher die Pfandbriefe einer genossenschaftlichen oder kommunalen 
öffentlichen Kreditanstalt, deren Sitz sich in Preußen befindet, nicht aber auch die Pfand- 
briefe der preußischen Hypothekenbanken (pr. AusfGes. 74); in Bayern gelten alle Schuld- 
verschreibungen bayrischer Gemeinden sowie die Pfandbriefe gewisser bayrischer Hypotheken- 
banken als mündelsicher (Bayr. Ges. v. 9. Juni 99 Art. 32) usw. 
3. Ist eine der zu 1, 2 genannten regelmäßigen Kapitalanlagen durch die Umstände 
ausgeschlossen, so kann ausnahmsweise eine mündelsichre Anlegung auch bei einer Staats- 
bank, z. B. der preußischen Seehandlung, erfolgen: den Staatsbanken können landesgesetzlich 
andre Banken gleichgestellt werden: in Preußen ist dies z. B. bezüglich der preußischen Zen- 
tralgenossenschaftskasse geschehen (1808; pr. AusfGes. 76; pr. Ministerialerlaß v. 17. u. 
18. Dez. 99). 
4. Das Reichsrecht läßt auch die Anlage von Geld bei der Reichsbank und den öffent- 
lichen Hinterlegungsstellen als mündelsicher zu (1808). Doch nimmt die Reichsbank verzins- 
liche Geldeinlagen von Privatpersonen tatsächlich nicht an. Ebenso ist in den meisten Staaten 
eine Kapitalanlage bei den Hinterlegungsstellen ausgeschlossen (E#G. 144 b; AusfGes. Preußen 
76 Abs. 2, Bayern 167 XXII, Württ. 146, Baden 37 V usw.). 
IV. Die Verpflichtung zur mündelsichern Geldanlegung fällt fort: 
1. bei Geld, das zur Bestreitung von Ausgaben verwendet oder bereit 
gehalten werden muß (1800); 
2. auch bei anderm Gelde, wenn von zuständiger Seite eine andre An- 
legung genehmigt wird; wer zuständig ist, läßt sich natürlich nicht allgemein 
sagen: bei dem Gelde einer Ehefrau ist es die Ehefrau selbst (1377 II in Ver- 
bindung mit 1376), bei dem Gelde eines Minderjährigen ist es das Vor- 
mundschaftsgericht (1811) usw. 
V. Die vorstehenden Regeln bedeuten nur, daß noch nicht angelegtes Geld mündel- 
sicher angelegt, nicht aber, daß bei bereits angelegtem Gelde die Anlage, wenn sie nicht 
mündelsicher ist, nachträglich in eine mündelsichere umgewandelt werden soll. Hat also ein 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 10
	        
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