Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

146 Buch I. Abschnitt 4. Die Rechtsgegenstände. 
minderjähriges Kind ein Grundstück geerbt, so kann der Vater das Grundstück ruhig behalten; 
er kann es auch gegen ein andres Grundstück austauschen. Hat er aber das Grundstück 
verkauft und den Kaufpreis in bar erhalten, so hört seine Freiheit auf: nunmehr bleibt ihm 
— vorbehaltlich der Ausnahmen zu IV — nur die mündelsichere Anlegung des Geldes übrig. 
V. Rüchkblick auf das bisherige Recht. 
E 49. 
I. Viele Regeln, die das bürgerliche Gesetzbuch über die Rechtsgegen- 
stände aufstellt, führen auf das ältere deutsche Recht zurück. So findet sich 
schon im mittelalterlichen deutschen Recht und ebenso in den neueren deutschen 
Gesetzbüchern der Satz, daß das landwirtschaftliche Inventar Zubehör des 
Guts, daß das Braugerät Zubehör der Brauerei sei, während das römische 
und ihm folgend das bisherige gemeine Recht annahm, alles landwirtschaftliche 
oder gewerbliche Gerät diene nicht dem Grundstück, sondern nur dem gegen- 
wärtigen Grundstücksbesitzer.! So ist ferner die scharfe Unterscheidung des 
Rechts der Liegenschaften und des Rechts der Fahrnis bereits dem mittel- 
alterlichen deutschen Recht und ebenso den jüngeren deutschen Gesetzen wohl- 
bekannt, während das römische Recht in seiner jüngsten, bei uns als gemeines 
Recht rezipierten Gestalt für Liegenschaften und Fahrnis grundsätzlich die 
gleichen Normen aufstellte? usw. 
II. In andern Beziehungen hat das bürgerliche Gesetzbuch seine Regeln 
über die Rechtsgegenstände nicht dem ältern deutschen, sondern dem römischen 
Recht entnommen. 
1. Das altdeutsche Recht hat überall, wo die Nutzung eines Grundstücks 
einem andern als dem Eigentümer des Grundstücks zustand, die Früchte schon 
vor ihrer Trennung als Eigentum des Nutzungsberechtigten behandelt. Von 
neuern Gesetzen huldigte der gleichen Auffassung das preußische Landrecht, 
während das vormalige gemeine Recht und das sächsische Gesetzbuch nach 
römischem Vorbilde die stehenden und hängenden Früchte, gerade wie jetzt das 
bürgerliche Gesetzbuch, ausnahmslos als Eigentum des Grundstückseigentümers 
ansah.3 
2. Das mittelalterliche deutsche Recht und auch einige neuere deutsche 
Partikularrechte, z. B. das bayrische und württembergische, ließen ein sog. 
Stockwerkseigentum, d. h. ein auf ein einzelnes Stockwerk eines Hauses be- 
1) Stobbe 1 § 65 17,4; pr. LR. I, 2, §§ 48 ff.; sächs. GB. 70, 69; Regelsberger S. 389. 
2) Stobbe 1 8 63; pr. LR. I, 10 88 6 ff., 21, I, 20 8§ 94, 390, 411; sächs. GB. 276, 
387, 466; Regelsberger S. 375. 
3) Stobbe-Lehmann 2 § 95 Nr. 4; pr. LR. I, 9 § 221; Dernburg 1 § 781½6; sächs. 
GB. 245, 74.
	        
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