§ 55. Geschäftsunfähige Personen. 177
nur durch einen neuen Formalakt vor Notar oder Grundbuchamt (313, 925), nicht aber
durch privatschriftliche Bestätigung geheilt werden. d) Derselbe Fall; nur haben der Vor-
mund B.s und das Münsterer Vormundschaftsgericht davon gewußt, daß das Grundstück
dem B. gehöre, und haben ausdrücklich darein gewilligt, daß B. es zu dem vereinbarten
Preise an C. veräußern solle. Hier ist die Entscheidung wiederum dieselbe; denn der Vor-
mund hätte nicht bloß neben B. als dessen Beistand, sondern an Stelle B.s als dessen Ver-
treter handeln müssen. e) Derselbe Fall; nur war dem C. von vornherein bekannt, daß B.
wegen Geisteskrankheit entmündigt war. Auch hier ist zu entscheiden wie zu a: einem Ge-
schäftsunfähigen braucht man sein Wort nicht zu halten, auch wenn man, als man es
ihm gab, seine Rechtslage gekannt hat. 2. Der nämliche B. hat sich von C. ein Darlehn
von 1000 Mk., rückzahlbar nach sechsmonatiger Kündigung und mit 31½/2% verzinslich, geben
lassen; kaum hat er die 1000 Mk. in Gestalt von neun Hundertmarkscheinen und fünf Gold-
stücken empfangen, werden ihm die neun Scheine von einem Unbekannten gestohlen. Hier
ist das Darlehn selbstverständlich nichtig; B. braucht also die Darlehnssumme als solche
weder zu verzinsen noch zurückzuzahlen. Im übrigen ist zu unterscheiden wie folgt. a) Wenn
B. bei Empfang des angeblichen Darlehns klar und „willensfrei“ gewesen ist und seine Ent-
mündigung dem C. arglistig verschwiegen hat, liegt in seinem Verhalten ein Betrug, für
den er trotz seiner Geschäftsunfähigkeit voll verantwortlich ist. Daraus folgt, daß er dem C.
zwar nicht als Darlehnsschuldner auf Rückgewähr des ihm von C. gegebenen Darlehns, wohl
aber als Deliktschuldner auf Erstattung des von ihm dem C. zugefügten Schadens haftet
(823, 826). Und zwar stimmt die deliktmäßige Haftung mit der Haftung aus dem Darlehn
praktisch darin überein, daß sie, wie diese, auf eine Hauptsumme von 1000 Mk. geht. Sie
unterscheidet sich aber von ihr dadurch, daß die vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist
keine Geltung für sie hat, daß B. kraft ihrer nicht, wie verabredet, 3½, sondern 4% Zinsen
zahlen muß, daß sie nicht, wie diese, in 30, sondern schon in 3 Jahren verjährt (271, 288,
852). b) War B. bei Empfang des Darlehns willensunfrei oder hat er in gutem Glauben
gehandelt, so liegt ein Delikt des B., für das er haftbar gemacht werden könnte, nicht
vor (827). Trotzdem ist er auch in diesem Fall nicht ganz haftfrei, sondern muß dem C. für
die Darlehnssumme wenigstens insoweit aufkommen, als er sich sonst auf Kosten C.8 be-
reichern würde (812), d. h. in Höhe von 100 Mk. III. 1. Die Schwestern D., E. und F.
leiden kraft erblicher Belastung sämtlich an der nämlichen Geisteskrankheit, haben aber längere
Pausen geistiger Gesundheit; die D. ist wegen Geisteskrankheit entmündigt, die E. und die F.
sind es nicht; ihre beiden Stiefbrüder G. und H. sind geistig gesund; G. ist ein braver
Mensch, der seine zahlreiche Familie trotz ungünstiger Vermögensverhältnisse ehrenhaft erhält,
H. ist dagegen ein verkommenes Subjekt. Nun vereinbaren die drei Schwestern, daß eine
jede den G. testamentarisch zum Alleinerben ernennt, und führen die Vereinbarung auch in
völlig gleichlautenden, sehr verständigen Testamenten aus. Nach ihrem Tode gelingt es
dem H. festzustellen, daß die E. zur Zeit der Testamentserrichtung unter dem Einfluß der
fixen Idee stand, ihr Bruder G. sei König von Polen; dagegen hat er über den damaligen
Geisteszustand der D. und der F. nichts ermitteln können. Hier ist das Testament der D.
und der E. nichtig, das der F. gültig. 2. Derselbe Fall; nur hat die D. für ihre Testaments-
errichtung die Einwilligung ihres Vormundes J. erhalten und sich außerdem durch einen
zuverlässigen Irrenarzt positiv bescheinigen lassen, daß sie zurzeit geistig gesund war. Hier
ist ihr Testament trotzdem nichtig. Dasselbe wäre der Fall, wenn etwa der Vormund J.
selber, als Stellvertreter der D., das Testament errichtet hätte; denn die Testamentserrichtung
gestattet keine Stellvertretung (2064). Ebensowenig ist der Weg gangbar, daß die D. ihr
Vermögen, mit Zustimmung des J. oder durch J. als ihren Vertreter, etwa schon bei Leb-
zeiten dem G. schenkt (s. 1804). Ergebnis: so angemessen es wäre, wenn die D. dem braven
G. ihr ganzes Vermögen zuwendete, im Wege Rechtens läßt es sich nur so bewerkstelligen,
daß man ihre Entmündigung zeitweise aufhebt, auf die Gesahr hin, daß die D. dadurch in
die größten Ungelegenheiten kommen mag; kann man sich hierzu nicht entschließen, so ver-
bleibt die eine Hälfte ihres Vermögens unweigerlich dem Taugenichts H.
Eine merkwürdige Besonderheit gilt, wenn die Entmündigung wegen Geisteskrankheit
dadurch endigt, daß der Entmündigungsbeschluß auf Grund einer Anfechtungsklage auf-
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 1. 12