§ 57. Beschränkt geschäftsfähige Personen. 181
für volljährig erklärt wird, in der Geschäftsfähigkeit gerade ebenso beschränkt
wie der achtjährige. Ingleichen dauert die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit
derer, die entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind, bis
zur Aufhebung der Entmündigung oder dem Ende der vorläufigen Vormund-
schaft unverändert fort ohne Rücksicht darauf, ob sie sich etwa gesunder Zwischen-
augenblicke erfreun oder gar dauernd genesen sind.
Vergleicht man die drei Gruppen der beschränkt geschäftsfähigen mit den drei Gruppen
der geschäftsunfähigen Personen, so zeigt sich, daß die Minderjährigen über sieben Jahr hier
den Kindern unter sieben Jahr dort (§ 55 I, 1%) und daß die wegen Geistesschmäche usw.
entmündigten sowie die unter vorläusige Vormundschaft gestellten Personen hier den wegen
Geisteskrankheit entmündigten Personen dort (§ 55 I, 1 5) entsprechen. Dagegen gibt es
eine Gruppe, die den Geschäftsunfähigen, die das 7. Lebensjahr vollendet haben und wegen
Geisteskrankheit nicht entmündigt sind, entsprechen (§ 55 I, 1½) bei den beschränkt geschäfts-
fähigen Personen nicht. Eine geistige Krankheit, die nicht die Weihe der Entmündigung
oder der Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft erhalten hat, wird also sehr radikal
behandelt: entweder macht sie völlig geschäftsunfähig (104 Nr. 2), oder sie läßt die Geschäfts-
unfähigkeit völlig unangetastet (114); der Mittelweg, daß sie die Geschäftsfähigkeit lediglich
schmälerte, wird nie betreten. Die Folge ist z. B., daß ein Kretin, der mit 30 Jahren durch
sorgfältige Pflege allmählich auf die geistige Höhe eines zehnjährigen Kindes gehoben ist,
nach kindischem Ermessen frei eine Ehe eingehen kann, wenn man so unvorsichtig war, ihn
nicht zu entmündigen.
2. Die Rechtsgeschäfte, die eine beschränkt geschäftsfähige Person tatsächlich
vornimmt, werden nicht, wie die Rechtsgeschäfte der geschäftsunfähigen, der
bewußtlosen und der von einer vorübergehenden Geistesstörung befallenen
Personen, von einer einzigen einheitlichen Regel beherrscht. Vielmehr sind für
sie die maßgebenden Regeln grundsätzlich verschieden, je nachdem es sich um
rein gewinnbringende (lukrative) oder um lästige (onerose) Rechtsgeschäfte
handelt und je nachdem die lästigen Rechtsgeschäfte Verträge oder einseitige
Rechtsgeschäfte sind: hieraus allein folgt schon, daß wir es bei den Rechts-
geschäften der beschränkt geschäftsfähigen Personen mindestens mit drei Haupt-
regeln, einer ersten für die rein gewinnbringenden Rechtsgeschäfte (a), einer
zweiten für die lästigen Verträge (b), einer dritten für die lästigen einseitigen
Rechtsgeschäfte (c), zu tun haben werden. Dazu kommt dann eine vierte
Hauptregel, die solchen Personen gilt, die zum selbständigen Betriebe eines
Erwerbsgeschäfts oder zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis ermächtigt sind
(4). Schließlich gibt es noch für eine Reihe von besondern Rechtsgeschäften
eine kaum übersehbare Menge von Spezialregeln (e).
a) Die erste Hauptregel lautet: ein rein gewinnbringendes
Rechtsgeschäft kann eine beschränkt geschäftsfähige Person für sich allein,
auch ohne Zustimmung ihres Gewalthabers und sogar gegen dessen Wider-
spruch, gültig vornehmen (107). Rein gewinnbringend ist aber ein Geschäft
nur, wenn es seinem Urheber wirklich nichts als rechtsgeschäftlichen Vorteil
bringt; dagegen gilt das Geschäft sofort als lästig, wenn mit dem Vorteil
irgend ein rechtsgeschäftlicher Nachteil verbunden ist, mag er auch durch den
Vorteil augenscheinlich weit überwogen werden.