188 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
Vertragsschluß selbst unter einer Bedingung erfolgen kann; Beispiel: ein entmündigter Trinker
verkauft ein Kalb; sein Vormund stimmt unter der Bedingung zu, daß A. den Erlös sofort
auf die Sparkasse bringt. Ebensogut kann die Zustimmung, solange sie überhaupt verweigert
oder widerrufen werden kann, auch unter einer Bedingung verweigert oder widerrufen werden.
Nur wenn die Gegenpartei den Gewalthaber aufgefordert hat, sich über seine nachträgliche
Zustimmung zu dem Vertrage zu äußern, ist für derartige bedingte Erklärungen kein Raum
mehr: fortab gilt nur, was unbedingt und ohne Vorbehalt erklärt ist. 12
Oben 1½3 haben wir uns der durch keine ausdrückliche Gesetzesbestimmung sanktionierten
und deshalb sehr umstrittenen Meinung angeschlossen, daß der Gewalthaber einer beschränkt
geschäftsfähigen Person deren lästigen Verträgen im voraus generell zustimmen kann: ist
diese Meinung richtig, so ist weiter anzunehmen, daß der Gewalthaber seine generelle Zu-
stimmung auch stillschweigend erteilen kann; damit wird, so folgern wir, ein minderjähriger
Student oder Offizier, der an einem andern Ort als dem des elterlichen Wohnsitzes studiert
oder garnisoniert, von seinem Gewalthaber stillschweigend ermächtigt sein, alle lästigen Ver-
träge abzuschließen, die das Universitätsstudium oder der Garnisondienst gewöhnlich mit sich
bringt, es sei denn, daß sie die Genehmigung des Gegenvormunds, Beistandes oder Vor-
mundschaftsgerichts erfordert oder daß der Gewalthaber das Gegenteil deutlich bestimmt hat.
Andrerseits haben wir, dem Gesetzeswortlaut folgend, festgestellt, daß lästige Verträgc, die eine
beschränkt geschäftsfähige Person ohne Zustimmung ihres Gewalthabers abschließt, gültig sind,
wenn jene Person sie mit Miteln erfüllt, die ihr vom Gewalthaber zur freien Verfügung
überlassen sind. 11 Nun stehn sich diese beiden Regeln, von denen wir die erste die General-
konsensregel, die andre die Taschengeldregel nennen wollen, offenbar sehr nahe. Man könnte
deshalb daran denken, daß eine jede die andre überflüssig mache. Daß dem nicht so ist, sei
durch folgende Beispiele belegt. I. 1. Der minderjährige A. aus Husum ist mit Zustimmung
seines Vormundes B. bei den ersten Ulanen in Militsch eingetreten und nimmt als Leutnant
Tag für Tag das übliche Mittagessen im Kasino ein. a) Hier ist nach der Generalkonsens-
regel nicht zu bezweiseln, daß die Bestellung des Essens durch A. gültig ist; denn B. hat den
A., indem er ihn nach Militsch schickte, stillschweigend generell ermächtigt, seine Mahlzeiten
im dortigen Kasino einzunehmen. b) Verwirft man dagegen die Generalkonsensregel, so
muß man nach der Taschengeldregel annehmen, daß die Bestellung des Essens zunächst un-
gültig ist und erst nachträglich Tag für Tag dadurch Gültigkeit erlangt, daß A. am Ende
seiner Mahlzeit anlangt und nunmehr ohne Rechtszwang, aus freien Stücken, Zahlung zu
leisten so anständig ist. Oder sollen wir dem A. zumuten, daß er sein Essen schon bei der
der Bestellung im voraus bezahlt? 2. Derselbe A. mietet sich von C. eine Wohnung gegen
einen seiner „Zulage"“ entsprechenden monatlichen Mietzins von 50 Mk. mit der Klausel, daß
die Miete stets auf einen weiteren Monat verlängert wird, wenn nicht eine Partei kündigt;
C. weiß nicht, daß A. minderjährig ist. a) Daß dieser Vertrag gültig ist, ist nach der
Generalkonsensregel zweifellos. b) Ebenso zweifellos ist, daß er, falls man die Generalkonsens-
regel verwirft und lediglich die Taschengeldregel anwendet, nicht früher gültig werden kann,
als bis B. seinen Spezialkonsens dazu erteilt oder A. den Mietzins bar bezahlt: A. wird
also, falls der Spezialkonsens der Eile wegen nicht beschafft werden kann, gut daran tun,
den Mietzins pränumerando zu bezahlen, und zwar nicht erst, wenn er die Wohnung be-
zieht, sondern schon, wenn er sie mietet; denn andernfalls riskiert er, daß C., sobald er A.#
Minderjährigkeit erfährt, den Mietvertrag plötzlich widerruft (109). Auch muß er den Miet-
zins gleich für längere Zeit im voraus entrichten. Denn wenn er nur einen Monatzins
zahlt, deckt er damit die Ungültigkeit seines Vertrages höchstens für einen Monat. II. In
dem oben S. 186 genannten Beispiel III, 4 ist erwähnt, daß gewisse Möbelanschaffungen, die der
Minderjährige H. gegen das ausdrückliche Verbot seines Vormundes G. vorgenommen hat,
nach der Taschengeldregel gültig sind, wenn G. die Möbel mit seinem Taschengelde bar be-
zahlt. Hätten wir nicht die Taschengeld-, sondern nur die Generalkonsensregel, so wären
12) Das Gesetz schweigt.
13) Siehe oben bei Anm. 8.
14) Siehe oben bei 6.