Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

190 Buch J. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
d) Die vierte Hauptregel lautet: eine beschränkt geschäftsfähige Person, die 
ermächtigt ist, ein Erwerbsgeschäft selbständig zu betreiben 
oder in ein Arbeitsverhältnis zu treten, wird in einem gewissen 
Bereich als unbeschränkt geschäftsfähig behandelt und kann demgemäß innerhalb 
dieses Bereichs auch lästige Rechtsgeschäfte, Verträge wie einseitige Geschäfte, 
ohne die Zustimmung ihres Gewalthabers und sogar gegen dessen Widerspruch 
gültig vornehmen (112, 113). 1 
a) Die Ermächtigung muß im voraus erteilt sein. Zuständig ist für die 
Ermächtigung zum Betriebe eines Erwerbsgeschäfts der Gewalthaber mit Ge- 
nehmigung des Vormundschaftsgerichts, zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis 
der Gewalthaber für sich allein; ist der Gewalthaber ein Vormund, so kann 
die Ermächtigung zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, falls er selbst sie 
verweigert, auf Antrag durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden (112 I, 
113 I, III). 
6) Ist die Ermächtigung erteilt, so gilt die beschränkt geschäftsfähige Per- 
son als „unbeschränkt geschäftsfähig“: 
beim Betriebe eines Erwerbsgeschäfts für alle Rechtsgeschäfte, die der 
Geschäftsbetrieb mit sich bringt, 
beim Eintritt in ein Arbeitsverhältnis für alle Rechtsgeschäfte, die 
die Eingehung oder Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses der gestatteten 
Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis er- 
gebenden Verpflichtungen betreffen, 
jedoch hier wie dort mit Ausnahme solcher Geschäfte, zu denen der Gewalt- 
haber der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf (112 I, 113 D. 
7) Die Ermächtigung zum Betriebe eines Erwerbsgeschäfts gilt immer 
nur für einen konkreten Betrieb. Dagegen kann die Ermächtigung zum Eintritt 
in ein Arbeitsverhältnis auch generell gefaßt sein; ja es spricht sogar die Ver- 
mutung dafür, daß die Ermächtigung zum Eintritt in ein konkretes Arbeits- 
verhältnis die generelle Ermächtigung zum Eintritt in andre Arbeitsverhältnisse 
der nämlichen Art in sich schließe (113 IV). 
0) Die Ermächtigung zum Betriebe eines Erwerbsgeschäfts kann vom Ge- 
walthaber unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die Ermächtigung 
zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis kann vom Gewalthaber allein zurück- 
genommen werden (112 II, 113 II). Letztere Ermächtigung kann vom Gewalt- 
haber auch beliebig eingeschränkt werden (113 II), während erstere Ermäch- 
tigung eine Einschränkung nicht gestattet. 
Beispiele. I. 1. Die neunzehnjährige A. wird von ihrem Vormunde B. mit Genehmi- 
gung des Vormundschaftsgerichts ermächtigt, selbständig ein kleines Putzmachergeschäft zu 
betreiben. Hier kann sie sich ohne Zustimmung des B. einen Laden und Arbeitsräume 
mieten, Gehilfinnen anstellen, Arbeitsmaterial kaufen, Arbeitsbestellungen annehmen usw.; 
denn all das bringt der Geschäftsbetrieb ihrer Putzmacherei mit sich. Ebenso kann sie für 
geschäftliche Erfindungen, die sie gemacht zu haben glaubt, den Patent= oder Musterschutz 
16) Pfäfflin bei Gruchot 48 S. 1.
	        
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