Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 57. Passive Geschäftsfähigkeit beschränkt geschäftsfähiger Personen. 193 
ist und die Erklärung in den Bereich fällt, innerhalb dessen die Person als 
unbeschränkt geschäftsfähig gilt (s. 112 I, 113 I. 
2. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so wird eine an die Adresse 
der beschränkt geschäftsfähigen Person gerichtete empfangsbedürftige rechts- 
geschäftliche Willenserklärung nur in derselben Art wirksam, wie wenn sie an 
die Adresse einer geschäftsunfähigen Person gerichtet wäre (131 II a).13 
Beispiele. I. 1. A., der Vormund des wegen Geistesschwäche entmündigten B., bittet 
den C., einen Gläubiger B.s, brieflich, daß er dem B. seine Schuld erlassen möge, und sendet 
einige Schmucksachen des B. an D. mit dem Antrage, sie dem B. für 200 Mk. abzukaufen; 
C. und D. antworten zusagend, aber nicht an die Adresse des A., sondern direkt an B.; B. 
wirft die Zusagebriefe fort, ohne sie dem A. mitzuteilen. Hier ist der Erlaßvertrag gültig zu- 
stande gekommen, der Kaufvertrag nicht; denn die Zusage C.#s war für B. rein gewinnbringend, 
die D.s war zugleich lästig für ihn. 2. Derselbe Fall; nur sind die Schmucksachen dem D. 
mit Zustimmung des A. von B. persönlich zum Kauf angeboten worden. Hier ist auch der 
Kaufvertrag gültig zustande gekommen; denn indem A. darein willigte, daß B. das Kauf- 
angebot persönlich stellte, hat er stillschweigend auch darein gewilligt, daß D. die Annahme 
des Gebots gegenüber B. persönlich erklärte. II. Der nämliche B. ist mit Einwilligung 
A.3 als Gärtner bei E. beschäftigt; E. will ihm kündigen. Hier kann E. die Kündigung 
sowohl gegenüber B. wie gegenüber A. erklären. 1 
6. Verfügungsfähigkeit. 
8 58. 
I. 1. Ist jemand nach den Regeln der drei vorhergehenden Paragraphen 
fähig, Rechtsgeschäfte einer bestimmten Kategorie vorzunehmen, so folgt 
daraus noch nicht, daß er jedes beliebige konkrete unter diese Kategorie 
fallende seinem Inhalt nach statthafte Rechtsgeschäft gültig vorzunehmen im- 
stande sei. Vielmehr ist dazu außerdem erforderlich, daß er eine Rechts- 
macht gerade zur Vornahme eben dieses konkreten Geschäfts besitzt. Be- 
sonders wichtig ist diese Rechtsmacht, wenn das vorzunehmende Geschäft eine 
Verfügung (oben S. 159) ist; man bezeichnet sie alsdann mit dem Namen 
Verfügungsmacht oder Verfügungsfähigkeit. 
Beispiele. A. ist voll geschäftsfähig und kann demgemäß Verpflichtungen begründen, 
Grundstücke veräußern, ein Testament errichten. Indes: er ist durchaus nicht „fähig“, ohne 
weiteres eine Verpflichtung zu lasten eines beliebigen Dritten zu begründen, ein Grundstück 
seiner Frau zu veräußern, ein Testament über den Nachlaß seines Sohnes zu errichten; denn 
damit würde er zwar nicht die Grenzen seiner Geschäftsfähigkeit, wohl aber die seiner 
Rechtsmacht überschreiten. 
2. àa) Verfügungsfähig ist, wer die Rechtsmacht hat, in eignem Namen 
und für sich allein über ein bestimmtes Recht zu verfügen, sei es in eigner 
Person, sei es durch einen Vertreter. 
a) Um in Ansehung eines Rechts als verfügungsfähig zu gelten, muß 
man über das Recht in eignem Namen verfügen können. Denn wenn jemand 
nur im Namen eines andern, als dessen Vertreter, eine Verfügung treffen kann, 
18) Siehe oben S. 178. 19) Streitig. Siehe oben S. 191 17. 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 13
	        
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