Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

194 Buch J. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
ist verfügungsfähig nicht er selbst, sondern der andre. Daß gerade er es ist, 
der den andern zu vertreten vermag, beruht nicht darauf, daß er verfügungs- 
fähig ist, sondern daß er Vertretungsmacht (s. unten § 67) für den andern hat. 
§) Um in Ansehung eines Rechts als verfügungsfähig zu gelten, muß 
man über das Recht für sich allein verfügen können. Denn wenn eine Ver- 
fügung nur von mehreren in eignem Namen auftretenden Personen gemein- 
sam getroffen werden kann, sind sie eben nur im Verein verfügungsfähig, und 
jeder einzelne von ihnen ist es nicht. 
7) Um in Ansehung eines Rechts als verfügungsfähig zu gelten, ist es 
nicht nötig, daß man über das Recht in eigner Person verfügen kann, sondern 
es genügt, wenn man die Verfügung durch einen Vertreter zu treffen vermag. 
Daraus folgt, daß nicht bloß eine voll geschäftsfähige Person zur Verfügung 
über ein bestimmtes Recht unfähig, sondern auch umgekehrt eine geschäftsun- 
fähige Person dazu fähig sein kann. 
Beispiele. Nach dem Tode des A. veräußert B. als Vormund der beiden noch nicht 
sieben Jahre alten Erben A.s, C. und D., einige zum Nachlaß gehörige Möbel. I. Hier 
ist über das Eigentum an den Möbeln gültig verfügt. Trotzdem ist B. in Ansehung dieses 
Eigentums nicht verfügungsfähig gewesen; denn er hat die Verfügung nicht im eignen 
Namen, sondern nur im Namen seiner Mündel C. und D. vornehmen können. II. Eben- 
sowenig waren aber C. oder D., jeder für sich allein, verfügungsfähig; denn die Verfügung 
mußte im gemeinsamen Namen beider geschehn (2033 II). III. Verfügungsfähig waren viel- 
mehr nur C. und D. im Verein. Daß sie beide geschäftsunfähig waren, minderte ihre Ver- 
fügungsfähigkeit nicht, sondern bewirkte nur, daß sie von dieser ihrer Fähigkeit nicht in 
Person Gebrauch machen konnten. 
b) Die Verfügungsmacht in Ansehung eines bestimmten Rechts besitzt, 
vorbehaltlich der erst weiter unten zu besprechenden Verfügungsbeschrän- 
kungen: 
der Inhaber dieses Rechts; 
8) der Inhaber eines diesem Recht übergeordneten andern Rechts, das 
eben dahin abzielt, den Inhaber des übergeordneten Rechts mit Verfügungs- 
macht über das untergeordnete Recht auszustatten; 
9) der Inhaber eines den echten Rechten zu a) und 8) entsprechenden 
Scheinrechts (s. oben S. 56, 2 a), dieser jedoch nur nach Maßgabe gewisser be- 
sondrer Regeln, die das Gesetz unter dem formelhaften Namen „Vorschriften 
zu gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“ 
zusammenfaßt; 
0) derjenige, der von einer der Personen zu c—) oder von einer zu- 
ständigen Behörde ermächtigt ist, in eignem Namen über das Recht zu 
verfügen. 
Beispiele. I. A. hat sich von B. eine diesem gehörige Fahrnissache als Pfand geben 
lassen und hat das Recht zum Pfandverkauf erlangt. Hier kommt die Fähigkeit zur Ver- 
äußerung der Sache, also zu einer Verfügung über das Eigentum an der Sache, zu: 
1. dem B., weil er Inhaber eben des Eigentumsrechts ist, über das verfügt werden 
soll; 2. dem A., weil er IJnhaber eines diesem Eigentumsrecht übergeordneten andern 
Rechts, nämlich des Pfandrechts, ist und das Pfandrecht gerade darauf abzielt, dem Pfand-
	        
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