§ 58. Verfügungsbeschränkungen. Passive Verfügungsmacht. 199
letzteres will freilich nicht viel bedeuten, weil den Geschwistern ein Vermögensschaden nicht
entstanden und der ideelle Schaden, den ihnen der Treubruch A.s zusügt, nicht erstattungs-
fähig ist (253). II. Derselbe Fall; nur haben die Geschwister A.s, als sie von dessen Ver-
äußerungsabsichten erfuhren, ein gerichtliches Veräußerungsverbot gegen A. erwirkt. Hier
ist die Rechtslage geändert, weil zwar nicht durch den Erbteilungsvertrag, wohl aber durch
das gerichtliche Verbot dem A. eine Verfügungsbeschränkung auferlegt ist; demgemäß ist die
Veräußerung an B. nunmehr ungültig (nämlich gegenüber A.s Geschwistern relativ unwirk-
sam), vorausgesetzt daß B. bei seinem Erwerbe das Veräußerungsverbot gekannt oder nur
aus grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (136, 135 II, 932).
II. So gut, wie bei jedem Rechtsgeschäft vorausgesetzt wird, daß die Person,
die das Rechtsgeschäft vornimmt, die dazu erforderliche Rechtsmacht besitzt, so
gut wird, wenn das Rechtsgeschäft empfangsbedürftig, vorausgesetzt, daß auch
der Gegenpartei, der gegenüber das Rechtsgeschäft vorgenommen wird, eine
bestimmte Rechtsmacht zusteht. Besonders wichtig ist diese Rechtsmacht bei
Verfügungen; man kann sie hier als passive Verfügungsmacht oder
passive Verfügungsfähigkeit bezeichnen. Im allgemeinen gelten für
sie analoge Regeln wie für die aktive Verfügungsmacht; insbesondre sind die
Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten
herleiten, auch auf sie analog anwendbar. Doch fehlt es auch nicht an einzelnen
wichtigen Abweichungen.
Beispiele. I. 1. Bei einer Buchhypothek ist zur Kündigung der Gläubiger der Hypo-
thek sowohl aktiv wie passiv verfügungsfähig: aktiv, wenn die Kündigung von ihm, passiv,
wenn die Kündigung vom Hypothekenschuldner ausgeht. 2. Ist die Hypothek im Grundbuch
fälschlich auf den Namen eines Nichtgläubigers eingetragen, so ist nach Maßgabe der Vor-
schriften zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dieser
Scheingläubiger sowohl aktiv wie passiv verfügungsfähig: kennt der Hypothekenschuldner die
Unrichtigkeit der Grundbucheintragung nicht, so kann nicht bloß der Scheingläubiger gegen-
über ihm, sondern auch er selbst gegenüber dem Scheingläubiger gültig kündigen (892, 893).
3. Gerät der Hypothekengläubiger in Konkurs, so ist nicht bloß eine Kündigung, die er selbst
gegenüber dem Hypothekenschuldner, sondern auch eine Kündigung, die der Hypotheken-
schuldner gegenüber ihm vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. II. Ge-
hört die Hypothek zum eingebrachten Vermögen einer Ehefrau, so kann eine Kündigung von
der Gläubigerseite durch den Ehemann nur mit Einwilligung der Frau, eine Kündigung
von der Schuldnerseite kann dagegen gegenüber dem Ehemann allein erfolgen (1375, 1403 1).
7. Her Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen an ihre Adresse.!
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I. 1. a) Der Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung an
deren Adresse, der eine wesentliche Voraussetzung für die rechtliche Wirksamkeit
der Erklärung bildet (s. oben S. 156), kann von dem Erklärenden formlos be-
werkstelligt werden. Was hierzu gehört, ist gesetzlich nicht bestimmt (s. 130 l)
und deshalb überaus bestritten. Dem Bedürfnis des Rechtslebens dürfte folgende
1) Gottschalck, empfangsbedürftige Willenserklärungen (Diss. 03); Hellwig, jur. Wochen-
schrift O5 S. 356; Titze, Jahrb. f. Dogm. 47 S. 379; Bekker ebenda 49 S. 39; v. Blume
ebenda 51 S. 1; Jörges, Ztsch. f. Handelsrecht 56 S. 66.