§ 59a. Vertragsschluß. Antrag und Annahme. 205
Beispiele. A. bietet dem B. „ein stark stockfleckiges Exemplar der ersten Auflage von
Schillers Räubern“ zum Kauf in einer der vier folgenden Arten an. I. Entweder geschieht
das Angebot durch Zusendung eines gedruckten Kataloges, in dem u. a. auch jenes Exemplar
der Räuber unter Angabe des Preises enthalten ist. II. Oder es geschieht mittels ge-
schriebener Postkarte ohne Preisangabe. III. Oder es geschieht mittels geschriebener Postkarte
unter Preisangabe und mit der Klausel „ohne Obligo“. IV. Oder es geschieht mittels ge-
schriebener Postkarte unter Preisangabe ohne die ebengenannte oder eine gleichbedeutende
Klausel. Hier liegt ein rechtswirksamer Antrag bloß zu IV vor. Dagegen ist nur eine
unverbindliche Einladung vorhanden: zu 1, weil A. den gedruckten Katalog offenbar nicht
bloß dem B., sondern noch vielen andern zugeschickt hat und unmöglich die Absicht gehabt
haben kann, jenes eine zu seiner Verfügung stehende „stark stockfleckige“ Exemplar der Näuber
sämtlichen Empfängern seines Katalogs rechtsverbindlich anzubieten; zu II, weil man einen
Gegenstand, dessen Preis so schwer zu bestimmen ist, wie der eines defekten seltenen Buchs,
niemals ohne eine ausdrückliche Vereinbarung des Preises verkauft; zu III, weil die Klausel
vohne Obligo“ soviel bedeutet wie „freibleibend“.
Das Angebot eines Vertragsschlusses an einen unbestimmten Personenkreis ist, wie das
oben zu 1 genannte Beispiel zeigt, häufig nur eine unverbindliche Einladung. Es kann
aber je nach Lage des Falls auch einen verbindlichen Antrag darstellen. Ein Beispiel hierfür
bildet die Aufstellung eines Automaten, der gegen Einwurf eines Zehnpfennigstücks ein
Päckchen Schokolade spendet; in dieser Aufstellung liegt nämlich ein verbindlicher Verkaufs-
antrag, gerichtet an jeden, der ein Zehnpfennigstück in den Automaten wirft, jedoch durch
die Klausel „soweit der Vorrat reicht und der Automat funktioniert“ eingeschränkt (Auto-
matenvertrag,).
b) Ingleichen muß der Antragsempfänger seine Annahme erkennbar in
der Absicht äußern, den Vertrag durch eben diese Annahme in Verbindung mit
dem von der Gegenpartei gestellten Antrage rechtswirksam zustande zu bringen,
so daß es einer weiteren Außerung von keiner der beiden Parteien mehr bedarf.
Demgemäß ist von der echten „Annahme“ des Vertragsantrages eine bloße
unverbindliche Gutheißung des Antrages zu unterscheiden, die weiter nichts
besagen soll, als daß sich der Antragsempfänger zu weiteren Verhandlungen
auf der Grundlage des Antrages bereit erklärt.
Beispiele. I. A. bietet sein Haus unter genauer Angabe seiner Bedingungen dem B.
brieflich zur Miete an; B., der die Wohnung schon früher mehrfach besichtigt hat, antwortet:
„Ich danke Ihnen für Ihr Angebot und gehe gern darauf ein.“ Hier liegt eine echte An-
nahme des Angebots A.s vor. II. Derselbe Fall; nur hat B. seiner Antwort noch die
Worte zugefügt: „Morgen komme ich zu Ihnen und sehe mir die Wohnung noch ein letztes
Mal genau an.“ Hier ist eine echte Annahme nicht erklärt, sondern B. will sich den end-
gültigen Entscheid noch vorbehalten.
2. Antrag und Annahme müssen inhaltlich genau zueinander stimmen.
Demnach darf die Annahme dem Antrage gegenüber keine Erweiterungen,
Einschränkungen oder sonstige Anderungen enthalten. Eine Annahme, die von
dieser Regel abweicht, soll als Ablehnung des Antrages verbunden mit einem
Gegenantrage gelten (150 II); es steht also im Belieben des Antragstellers,
ob er die Vertragsverhandlungen als gescheitert ansehn oder ob er durch Zu-
stimmung zu den Abänderungsvorschlägen des Antragsempfängers den Vertrag
auf neuer Grundlage zustande bringen will.
Belspiele. I. A. bietet dem B. zum Kauf an 1. seinen Wagen und seine beiden Wagen-
pferde, jenen für 1000, diese für je 1500 Mk., oder 2. eines seiner beiden Wagenpferde für
1500 Mk. oder 3. sein Reitpferd für 2000 Mk.; B. antwortet sofort, daß er das Angebot an-