218 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
pflichten, nicht notwendig hin. 2. C. als Bauherr und D. als Baumeister haben einen Bau-
vertrag mit der Klausel abgeschlossen, daß der Vertrag binnen vier Wochen gerichtlich beur-
kundet werden, D. aber mit dem Bau sofort beginnen solle. Hier ist der Vertrag auch ohne
die gerichtliche Beurkundung beiderseits bindend. Denn es wäre doch gar zu unbillig, wenn
D. sofort mit seiner Arbeit anzufangen hätte, ohne daß eine vertragsmäßige Grundlage
für seine Ansprüche an Lohn und Auslagenerstattung vorhanden wäre. Der Sinn der Be-
urkundungsklausel ist vielmehr nur: jede Partet kann von der andern verlangen, daß sie
den bereits gültig abgeschlossenen Vertrag nachträglich beurkunden läßt. II. E. verhandelt
mit F., der sich bei ihm als Koch gemeldet hat; beide machen miteinander aus, daß der
Dienstvertrag, den sie miteinander eingehn wollen, schriftlich abzusassen sei; sie setzen denn
auch, nachdem sie sich zuvor über alle Vertragsbedingungen mündlich geeinigt haben, eine
schriftliche Vertragsurkunde auf, vergessen aber, die Weihnachtsgratifikation von 100 Mk., die
E. dem F. zusätzlich zu seinem Gehalt von 2000 Mk. versprochen hat, in die Urkunde mit
aufzunehmen. Hier ist die Zusage der Weihnachtsgratifikation und also der ganze Dienst-
vertrag nichtig. Dabei muß es auch dann bleiben, wenn E. einräumt, daß die Nichterwähnung
der Gratifikation in der Urkunde auf einem bloßen Versehn beruht, und wenn er sich bereit
erklärt, die Gratifikation nachträglich in die Urkunde einzuschalten. III. G. und H. verein-
baren 08, daß der zwischen ihnen 07 mündlich auf 10 Jahr abgeschlossene Gesellschafts-
vertrag zur Vermeidung von Streitigkeiten notariell beurkundet werden solle; es gelingt
ihnen aber nicht, sich über die Fassung der Urkunde zu einigen; G. erklärt darauf den
Vertrag mangels der gewillkürten Form für nichtig. Hier ist G. im Unrecht; denn eine
gewillkürte Form kann wohl für einen erst abzuschließenden, nicht aber für einen bereits
abgeschlossenen Vertrag eingeführt werden.
2. a) Ein gewillkürter Formzwang liegt nur vor, wenn die Parteien die
Beobachtung gewisser Formen bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts für not-
wendig erklären, nicht aber schon dann, wenn sie bei Vornahme eines Rechts-
geschäfts gewisse Formen aus freien Stücken tatsächlich beobachten.
b) Die wichtige Folge ist, daß, wenn in letzterem Fall die Formen nur
bei einem Teil des Rechtsgeschäfts eingehalten sind, der nicht formalisierte
Teil des Geschäfts gerade ebenso gültig ist wie der formalisierte; insbesondre
haben neben einem Vertrage, den die Parteien aus freien Stücken schriftlich
aufgesetzt haben, auch mündliche Nebenabreden volle Gültigkeit. Doch ist
dabei selbstverständlich vorausgesetzt, daß die Parteien die Absicht hatten, neben
den formalisierten auch die formlosen Bestimmungen aufrecht zu halten, und
nicht etwa der Meinung waren, der formalisierte Teil des Rechtsgeschäfts sei
das ganze Rechtsgeschäft; denn trifft letzteres zu, so haben die Parteien be-
wußt oder unbewußt die nicht formalisierten Bestimmungen fallen gelassen.
Ob dieses oder jenes von den Parteien beabsichtigt war, läßt sich nur im
Einzelfall feststellen"; wenn die Prüfung des Einzelfalls zu keinem klaren Er-
gebnis führt, wird man sich gegen die Aufrechthaltung der formlosen Bestim-
mungen entscheiden müssen.
Beispiel. Kaufmann A. hat sich mit seinen beiden erst vor kurzem volljährig ge-
wordenen Geschwistern dahin geeinigt, daß sie als Gesellschafter in sein Geschäft eintreten
sollen, hat aber das Recht der Geschäftsführung sich allein vorbehalten; jeder einzelne Punkt,
über den die Parteien sich geeinigt haben, ist alsbald schriftlich festgesetzt und das ganze
Schriftstück am Ende von den drei Gesellschaftern unterschrieben; nur die Geschäftsführungs-
8) NG. 62 S. 78.
9) Siehe R. 52 S. 24; 62 S. 50, 172, 382.