222 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
zwang wie die Erklärung des Antragstellers in dem fertigen Vertrage! Soll A. an den
Antrag gebunden sein, so muß er in ihn die Worte einschalten: „ich, B., nehme den Antrag
an.“ Das nimmt sich freilich ziemlich sinnlos aus. Man wird aber von einer so gekünstelten
Regel wie der obigen keine sinnvollen Folgen erwarten dürfen.
Kleine formelle Unterschiede zwischen den beiden Vertragsexemplaren wird man wohl
für unschädlich halten dürfen. Dagegen hat jeder wenn auch noch so geringfügige mate-
rielle Unterschied zur Volge, daß der davon betroffene Teil des Vertrages als nicht schriftlich
anzusehn ist.
c) Von den Besonderheiten, die für schriftliche Verfügungen von Todes
wegen gelten, soll erst im Erbrecht gehandelt werden.
4. Ist bei der Abgabe einer Erklärung eine einzige der soeben geschilderten
Formvorschriften nicht beobachtet, so ist die Erklärung im Sinn des Gesetzes
keine „schriftliche“.
Beispiele. I. A. gibt eine Bürgschaftserklärung für seinen Schwiegersohn B. gegenüber
dem Gläubiger des B. dadurch ab, daß er unter den Schuldschein des B. eigenhändig folgen-
den Vermerk setzt: „für obige Schuld meines Schwiegersohns B. sage ich, der Bauerguts-
besitzer Johann Georg A., gut.“ Diese Bürgschaftserklärung ist nicht schriftlich, weil die
Worte „der Bauergutsbesitzer Johann Georg A.“ vor dem Wort „gut“ stehn, also keine
„Unterschrift“ sind. Demnach ist sie ungültig (766, 126, 125). II. D. hat folgenden nicht
datierten Bürgschaftsschein ausgestellt und dem F. übergeben: „Hiermit verbürge ich mich
für die 1000 Mk., die sich meine Schwester E. von F. geliehen hat. D.“; daraufhin hat F.
der E. im Jahr 06 1000 Mk. geliehn; die E. hat dies Geld 07 an F. zurückbezahlt, will
aber O8 wiederum ein gleich hohes Darlehn von F. haben; F. ist bereit, es zu geben, falls
D. von neuem die Bürgschaft übernimmt; D. sagt dies auch zu und übergibt dem F. den
alten Bürgschaftsschein von 06, den F. ihm 07 zurückgegeben hat, von neuem. Hier ist
D.s Bürgschaft ungültig; D. hätte den Bürgschaftsschein von O6 nunmehr von neuem unter-
schreiben müssen.?
II. In allen Fällen, in denen ein Reichsgesetz die schriftliche Abgabe einer
rechtsgeschäftlichen Erklärung vorschreibt, kann die Schriftlichkeit durch gericht-
liche oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt werden (126 III).
5)0 Gerichtliche und notarielle Beurkundung.7
8 60b.
I. 1. Die Vorschrift, daß die rechtsgeschäftliche Erklärung einer Partei in
gerichtlicher oder notarieller Urkunde abzugeben ist, bedeutet regel-
mäßig: erstens, daß jemand den Text der Erklärung unter Beobachtung ge-
wisser Formalitäten in einem Protokoll aufzeichnen muß, zweitens, daß in
Gegenwart des beurkundenden Richters oder Notars das Protokoll der Partei
vorzulesen und von ihr zu genehmigen und eigenhändig zu unterzeichnen ist,
8) RG. 59 S. 42.
1) Josef, Lehrb. des Verfahrens der freiw. Gerichtsbarkeit (02); Kommentare zu dem
Res. über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 98 („R. FG.“) von
Schultze-Görlitz, Schneider, Jastrow, Birkenbihl, Rausnitz u. a.; Kommentare zum preuß.
Ges. über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit vom 21. Sept. 99 („JG. Preußen“,)
von Schultze-Görlitz u. Oberneck, Wellstein u. a.; Dorst, die notarielle Urkunde (02).