Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 64. Scheingeschäfte. 257 
für nichtig kraft Gesetzes oder für anfechtbar. Indes wäre es verkehrt, hierin 
geradezu eine Preisgabe jener leitenden Regel zu sehn. Denn es sind ja eben 
nur „gewisse Fälle“, in denen das Gesetz auf den mangelnden Willen einer 
Partei Rücksicht nimmt; dagegen wird die Partei im übrigen trotz allen 
Willensmangels beim Wort festgehalten. Und weiter: auch dann, wenn wegen 
mangelnden Willens der Rücktritt vom Wort statthaft oder das Geschäft 
nichtig ist, muß der Urheber der „willenlosen Willensäußerung“ doch insofern 
bei seinem Wort bleiben, als er der gutgläubigen Gegenpartei den Schaden 
ersetzen muß, der ihr dadurch entstanden ist, daß sie der Gültigkeit seines 
Worts getraut hat. 
I. Nichtig kraft Gesetzes sind gewisse rechtsgeschäftliche Willensäußerungen, 
die nur zum Schein abgegeben sind.1 
1. Eine rechtsgeschäftliche Willensäußerung ist als ein bloßes Schein- 
geschäft wegen „Simulation“ nichtig in den folgenden drei Fällen. 
a) Erstlich: der Außernde war mit der Gegenpartei darüber im Einver- 
ständnis, daß die Außerung nicht im Ernst erfolge (117); er hat also im Ein- 
verständnis mit der Gegenpartei absichtlich einen Willen geäußert, den er in 
Wahrheit nicht hatte. 
b) Zweitens: er war zwar nicht mit der Gegenpartei im Einverständnis 
hierüber, gab sich aber einseitig der Erwartung hin, alle Beteiligten würden 
erkennen, daß er sich nicht im Ernst geäußert habe (118,). 
(Rc) Drittens: er hat darauf, ob die Gegenpartei den Mangel an Ernst 
auf seiner Seite erkennen würde, gar keine Rücksicht genommen; vielleicht hat 
er sogar erwartet, die Gegenpartei würde den Mangel nicht erkennen: er hat 
sie täuschen wollen; tatsächlich hat aber die Gegenpartei den Mangel trotzdem 
erkannt (116 Satz 2). 
Beispiele ungültiger Scheingeschäfte. I. A. veräußert sein Geschäft an B., verabredet 
aber mit ihm, es solle nur zum Schein geschehn, um die Gläubiger des A. zu hindern, die 
Zwangsvollstreckung in das Geschäftsvermögen zu betreiben. II. Leutnant C. bestellt in 
einem Ton, von dem er meint, man müsse ihn sofort als scherzhaft erkennen, bei dem 
Juwelier D. den teuersten Schmuck aus dem Laden; D. nimmt die Bestellung ernst, legt 
dem C. einen Schmuck, der 80 000 Mk. kosten soll, vor und fordert dessen käufliche Abnahme. 
III. E. bietet dem F. eine unglaubliche Erfindung, die jährlich eine Million Gewinn ab- 
wersen soll, zum Kauf an, in der Meinung, F. werde den Scherz nicht merken und sich 
lächerlich machen; F. merkt aber den Scherz doch und will nun den E., indem er seinerseits 
auf den Kauf zum Schein eingeht, in Verlegenheit bringen. 
2. a) Da die nur zum Schein abgegebene rechtsgeschäftliche Willens- 
äußerung in den drei Fällen zu 1 kraft Gesetzes nichtig ist, kann weder ihr 
eigner Urheber noch die Gegenpartei noch irgend ein Dritter ein Recht aus 
ihr herleiten (s. oben S. 166). 
b) Nur wenn zwischen zwei Personen in beiderseitigem Einverständnis 
ein Scheingeschäft geschlossen wird, das ein andres Rechtsgeschäft, dessen Ab- 
la) Siehe R . 60 S. 21. 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 17
	        
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