258 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
schluß die Parteien im Ernst beabsichtigen, verdecken soll, ist das vorgeschützte
Geschäft bloß als solches nichtig, dagegen das dadurch verdeckte Geschäft gültig,
vorausgesetzt natürlich, daß dessen besondern gesetzlichen Erfordernissen Ge-
nüge getan ist (117 U).
Beispiel. A. will dem B. ein Haus schenken, läßt es ihm auch auf, gibt aber zur
Vermeidung des hohen Schenkungsstempels im Einverständnis mit B. vor, er verkaufe diesem
das Haus zu einem bestimmten geringen Preise. Hier ist der Kauf als solcher nichtig:
weder kann A. von B. die Zahlung des angeblichen Kaufpreises fordern, noch kann B. den
A. als Verkäufer haftbar machen, wenn das Haus sich etwa baufällig zeigt. Dagegen ist
das Geschäft als Schenkung gültig.
3. Das Recht, die Nichtigkeit eines Scheingeschäfts geltend zu machen, ist
zeitlich nicht begrenzt.
4. Die Nichtigkeit des Geschäfts greift auch dann Platz, wenn der Ur-
heber der Scheinäußerung schuldhaft gehandelt hatte. Insbesondre ist in dem
zweiten oben zu 1 genannten Fall das Geschäft selbst dann nichtig, wenn die
Erwartung des Urhebers der Scheinäußerung, die Gegenpartei werde den
Scherz merken, völlig willkürlich war und die Gegenpartei auch tatsächlich den
Scherz nicht gemerkt hat.
5. a) Doch läßt es das Gesetz in ebendiesem Fall dabei nicht bewenden,
daß es das Geschäft für nichtig erklärt, sondern verpflichtet zugleich den Ur-
heber der Scheinäußerung zum Schadensersatz gegenüber jedermann (122).
#) Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Urheber der Schein-
äußerung außer Schuld war, also wenn er vernünftige Ursache hatte zu
glauben, man würde seine Außerung nicht für Ernst nehmen. Denn der
Grund der Ersatzpflicht ist ja — wie bereits festgestellt — die Regel „ein
Mann, ein Wort“, die Regel also, daß jeder, der eine Außerung abgibt, der
Gegenpartei für sein Wort einstehn muß. Nicht als ob das Gesetz verböte,
Außerungen zum Scherz abzugeben; aber wer Scherz treibt, tut es, falls die
Gegenpartei den Scherz mißversteht, auf seine Gefahr.
6) Dagegen versagt die Ersatzpflicht, wenn der Geschädigte den Mangel
des Ernstes auf seiten des Außernden erkannt oder nur aus Fahrlässigkeit
verkannt hat; denn man darf einen andern nur dann beim Wort nehmen,
wenn man seiner eignen Pflicht genügt und dem Wort die gebührende Auf-
merksamkeit geschenkt, in unserm Fall also das Wort auf seine Ernstlichkeit
hin verständig geprüft hat.2
9) Zu ersetzen ist das „negative Geschäftsinteresse“ des Geschädigten, d. h.
aller Schaden, den dieser dadurch erlitien hat, daß er auf die Gültigkeit der
Außerung vertraute, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das
er an der Gültigkeit der Außerung hatte.
Beispiele. I. A. erklärt dem B., der ihm 20000 Mk. schuldet, an einem Fastnachts-
tage im Scherz, daß er ihm diese Schuld erlasse, und B. nimmt den Erlaß mit gerührten
Worten des Danks an; dabei war aber A. der Meinung, daß B. jene Erklärung unmög-
2) Siehe RG. 57 S. 89.