Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 64. Scheingeschãfte. 259 
lich ernst nehmen könne, zumal seine dem B. bekannten Verhältnisse ihm eine derartige Frei- 
gebigkeit nicht gestaten und auch nicht der mindeste Anlaß für ihn vorhanden war, dem 
B. irgendein Geschent zu machen; doch hat er die Erklärung in so feierlichem Ton vor- 
gebracht, daß B. den Scherz nicht merkt und auch, einfältig wie er ist, nicht merken kann. 
Hier ist der Erlaß nichtig: B. bleibt also A.s Schuldner. Fraglich ist nur, ob nicht A. den 
B. entschädigen muß. 1. Die Frage ist zu verneinen, wenn A. sofort erkennt, daß sein 
Scherz falsch verstanden wird, und den B. alsbald aufklärt; denn alsdann hat B. durch das 
Vertrauen auf die Gültigkeit des Erlasses keinen Schaden erlitten. 2. a) Die Frage ist zu 
bejahen, wenn A. den B. nicht aufklärt und dieser nun im Bewußisein eines Vermögens- 
zuwachses von 20000 Mk. sofort eine Vergnügungsreise macht, die ihm 1000 Mk. kostet: 
denn hier ist B. wirklich durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Erlasses um 1000 Mk. 
geschädigt, und A. muß ihm diese 1000 Mk. erstatten. b) Doch kann A.3 Ersatzpflicht nie 
über das Interesse, das B. an der Gültigkeit des Erlasses hat, also nie über den Betrag 
von 20000 Mk. hinausgehn; wenn also B. dem A. auf seine Erlaßerklärung erwidert, er 
werde die ihm soeben geschenkten 20000 Mk. dem Herz Jesu-Spital weiterschenken und noch 
5000 Mk. von seinem eignen dazu legen, so muß A., falls er den B. auch jetzt nicht auf- 
klärt und dieser seine Absicht tatsächlich ausführt, ihm auch hierfür Schadensersatz leisten, 
da B. ja auch diese Opfer nur im Vertrauen auf die Gültigkeit des von A. erklärten Schuld- 
erlasses bringt, aber nicht über den Betrag von 20000 Mk. hinaus. II. Anders wäre zu 
entscheiden, wenn B. hätte erkennen müssen, daß A. nur scherzte; denn dann wäre A. ihm 
in keinem Fall zu Schadensersatz verbunden. III. Siehe auch die verwandten Beispiele 
unten S. 295 hinter 68. 
b) In den beiden andern zu 1 genannten Fällen ist eine Schadensersatz- 
pflicht des Urhebers der Scheinäußerung nicht anerkannt. Das ist, soweit das 
Verhältnis des Urhebers zur Gegenpartei in Frage kommt, selbstverständlich, 
weil ja die Gegenpartei hier den Mangel an Ernst auf seiten des Urhebers 
gekannt hat. Dagegen hätte sich eine Ersatzpflicht gegenüber dritten Personen, 
an die die Scheinäußerung zwar nicht gerichtet war, die aber zufällig von ihr 
hörten und auf ihre Ernstlichkeit vertrauten, wohl rechtfertigen lassen; indes hat 
das Gesetz angenommen, daß, wer eine Erklärung an eine bestimmte Adresse 
abgibt, nur auf diese Adresse Rücksicht zu nehmen braucht, dagegen von einer 
dritten Person nicht „,beim Wort“ genommen werden darf. 
Beispiel. A. mietet für die Schauspielerin B. eine glänzende Einrichtung von Möbeln, 
verabredet aber mit der B. zum Schein, daß er ihr die Einrichtung schenke; C. hört von 
der Schenkung, hält sie für ernst und gewährt daraufhin der B. ein größeres Darlehn; 
später zeigt es sich, daß die B. zahlungsunfähig ist und C. sich auch an die Möbel, weil sie 
ja in Wirklichkeit nur Mietsmöbel sind, nicht halten darf. Hier hat C. einen Anspruch auf 
Schadensersay gegen A. nicht. — Anders im Fall arglistiger Täuschung; doch braucht eine 
solche nicht immer vorzuliegen; A. hat ja jene Scheinschenkung vielleicht nur aus Renommage 
vorgenommen. 
6. Der Beweis, daß eine Willensäußerung nur zum Schein abgegeben, 
ist von dem zu führen, der dies behauptet. 
Der Beweis kann unmittelbar auf den seelischen Vorgang bezogen werden, der sich bei 
Abgabe der Außerung im Innern ihres Urhebers abgespielt hat, z. B indem die Gegen- 
partei ihm den Eid über seinen Mangel an Ernst zuschiebt; praktisch ist das freilich bedenk- 
lich: indes verbietet das Gesetz es nicht. Der Beweis kann aber auch auf die äußeren 
Nebenumstände, die den Abschluß des Geschäfts begleiteten, bezogen werden; und zwar 
können auch solche Nebenumstände, die bei der Auslegung des Rechtsgeschäfts nicht berück- 
sichtigt werden dürfen, die also eine positive rechtsgeschäftliche Wirkung nicht haben können, 
hier, wo es sich um die Umstoßung eines Rechtsgeschäfts handelt, wo also die positiven 
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