§ 64. Mentalreservation. Fiduziarische Geschäfte. 261
die Parteien wollen wirklich, was sie sagen; als Scheingeschäft läßt das Ge-
schäft sich also für ungültig keineswegs erklären. Vielmehr ist das Geschäft
vollgültig, es sei denn, daß jenes Verbotsgesetz auch derartige Umgehungen hat
verbieten wollen.
Beispiele. I. A. verlangt von seinem Schuldner B. ein Pfand; B. will ihm eine erst
nach 5 Jahren kündbare, aber sichere und gut verzinsliche Forderung gegen C. verpfänden;
A. stößt sich aber daran, daß er bei bloßer Verpfändung der Forderung dem C. gegenüber
ungünstig gestellt sei (1281 ff.); deshalb muß B. die Forderung dem A. geradezu abtreten,
aber nur fiduziarisch, so daß dem A. verboten wird, die Forderung an einen Dritten weiter
zu veräußern. Hier ist die Abtretung ernstlich geschehn und vollgültig! II. A. wünscht von
B. ein Darlehn von 1000 Mark; B. will es nur zu 8% Zinsen unkündbar auf 10 Jahre
geben; da dies aber gesetzlich verboten ist (247), so vereinbaren A. und B., daß A. an
Zinsen nur 6%, aber außerdem an Schreibgebühr 20 Mark jährlich zahlen solle. Hier ist
die Abrede gleichfalls ernstlich geschehn, aber ungültig!
II. Anfechtbar sind gewisse rechtsgeschäftliche Willensäußerungen, die irr-
tümlich abgegeben sind.“
1. a) Eine rechtsgeschäftliche Willensäußerung ist wegen Irrtums an-
fechtbar in den drei folgenden Fällen (119).
a) Erstens: der Außernde war über die Form seiner Außerung im Frr-
tum; er wollte also eine Außerung von der Form, die er wirklich gebraucht
hat, gar nicht abgeben.
6) Zweitens: er war über den Sinn seiner Außerung im Irrtum; er
wollte also die Außerung zwar in der von ihm gewählten Form abgeben, war
aber der Meinung, die Außerung habe eine andre Bedeutung als die, die man
ihr später nach den Regeln richtiger Auslegung beilegt.
7) Drittens: er war über bestimmte Voraussetzungen seiner Außerung,
nämlich über wesentliche Eigenschaften der Personen oder der Sachen, auf die
die Außerung sich bezog, im Irrtum. Allerdings entspricht hier seine Außerung,
sowohl was ihre Form als was ihren Sinn anbetrifft, seinem wirklichen
Willen. Aber der Inhalt oder der Wert der Außerung ist anders als der
Urheber es sich gedacht hat; insoweit geht also auch in diesem Fall Wille
und Willensäußerung weit auseinander.
Beispiele. I. A. will einige Geigen, eine Bratsche, eine Mandoline und eine Laute,
die er von dem Musiker B. geerbt hat, veräußern; C., der persönlich von solchen Instru-
menten nichts versteht, aber einem unbemittelten musikalischen Freunde ein Geschenk damit
machen will, besichtigt die Sachen und schreibt dann an A.: „für die Laute biete ich 200 Mk.",
was A. dankend akzeptiert. Dabei hat sich aber C. wie folgt geirrt: 1. Er hat nicht die Laute,
sondern die Mandoline kaufen wollen und hat sich in seinem Brief bloß verschrieben.
2. Er hat nicht die Laute, sondern die Mandoline kaufen wollen, hat aber geglaubt, die
Mandoline hieße „Laute", während er die wirkliche Laute für eine „Guitarre“ hielt, und
hat deshalb absichtlich auf die „Laute“ geboten. 3. Er hat die Laute kaufen wollen, aber,
lediglich in der Annahme, sie sei ein Musikinstrument, auf dem man spielen könne, während
die in B.s Nachlaß befindliche Laute eine Atrappe war und nur als Wandschmuck gebraucht
5) RG. 56 S. 104.
6) Siehe RG. 61 S. 85, 62 S. 284, 66 S. 385.
7) Siehe R. 55 S. 370.