8 64. Anfechtung wegen Irrtums. 265
gleichgültig, ob die Gegenpartei den Irrtum verursacht oder gekannt hat oder
hätte bemerken müssen. 14
5. Wer ein von ihm vorgenommenes Rechtsgeschäft wegen Irrtums an-
sicht, ist schadensersatzpflichtig (122).
a) Ersatzberechtigt ist, wenn ein empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft an-
gefochten wird, das gegenüber der Gegenpartei vorzunehmen ist, nur die
Gegenpartei. Bei der Anfechtung aller andern Rechtsgeschäfte ist ersatzberechtigt
jedermann.
b) Im übrigen kommen dieselben Regeln zur Anwendung wie bei Schein-
geschäften. So gilt die Schadensersatzpflicht selbst dann, wenn der Irrende
schuldlos war, während sie fortfällt, wenn der Geschädigte den Irrtum und
seine Erheblichkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Letzteres gilt auch
dann, wenn die Fahrlässigkeit dessen, der die irrige Erklärung abgab, weit
größer war als die Fahrlässigkeit des Geschädigten, der den Irrtum des Er-
klärenden verkannt hat.15
6. Für den Beweis des Irrtums gelten dieselben Regeln wie für den
Beweis der Simulation.
7. a) Ein Irrtum, der bei einer empfangsbedürftigen Erklärung nicht
auf seiten des Urhebers, sondern auf seiten des Empfängers obwaltet, be-
rechtigt zur Anfechtung der Erklärung nicht, obschon er oft genug ebenso schwer
wiegt wie ein Irrtum auf seiten des Urhebers der Außerung.
Beispiel. A. hat eine große Forderung, die ihm gegen B. zustand, diesem brieflich
gekündigt; B. hat dies falsch verstanden, indem er die Kündigung auf eine zweite kleinere
Forderung, die A. gegen ihn hatte, bezog; am Verfalltage der Forderung hat er die erforder-
lichen Geldmittel zur Bezahlung der großen Forderung nicht zur Hand, muß seine Zah-
lungen einstellen und verfällt in Konkurs. Hier ist für eine Anfechtung kein Raum.
b) Daraus folgt, daß, wenn das irrtümlich vorgenommene Rechtsgeschäft
ein Vertrag ist, die Anfechtung wegen Irrtums nur Platz greift, wenn der
Irrtum die eigne Erklärung des Irrenden betraf, nicht dagegen, wenn der
Irrtum in einem bloßen Mißverständnis der gegnerischen Erklärung bestand.
Dabei ist nun aber die Lage des Antragsempfängers günstiger als die des
Antragstellers. Denn ersterer nimmt in seine Annahmeerklärung notwendig die
Erklärung des Antragstellers mit auf, weil ja seine Annahme überhaupt nur
in Verbindung mit dem Antrage Sinn und Bedeutung hat; deshalb kann er
den von ihm mißverstandenen Antrag mittelbar dadurch anfechten, daß er seine
eigne Annahmeerklärung als irrig anficht. Hat dagegen umgekehrt der Antrag-
steller die Annahmeerklärung des Antragsempfängers mißverstanden, so ist er
zu einer Anfechtung dieser Erklärung nicht in der Lage.
Beispiele. I. A. bietet dem B. unverbindlich eine Ware zum Preise von x an; B. be-
stellt darauf von dieser Ware bei A. 6000 Zentner, was das Lieferungsvermögen A.s bei
weitem übersteigt; trotzdem telegraphiert A.: „ich nehme an“, weil er in B.s Bestellbrief
fahrlässigerweise statt 6000 600 Zentner gelesen hat. Hier ist der Vertrag über 6000 Zentner
14 a) Siehe aber unten zu Za. 15) RG. 57 S. 89.