§ 64. Anfechtung wegen Irrtums. Versteckter Dissens. 267
sich über keine der Vasen geeinigt haben. Trotz dieses Irrtums ist aber für eine Anfechtung
kein Raum. 1. Zunächst ist klar, daß die Anfechtung höchstens die Erklärung des A. oder
die des B. umstoßen, nicht aber sie dahin abändern könnte, daß sie zu der Erklärung der
Gegenpartei paßt und mit ihr zusammen einen gültigen Vertrag bildet. Es kann also
keine Rede davon sein, daß eine der Parteien den auf Grund des Doppelirrtums ge-
scheiterten Vertragsschluß etwa auf dem Wege der Anfechtung schließlich doch zustande bringen
könnte. 2. Ebenso klar ist aber, daß die Anfechtung auch untauglich ist, eine der beiden
Erklärungen zu entkräften. Denn diese Erklärungen sind ja auch ohne Anfechtung kraftlos,
weil sie nicht innerhalb der Annahmefrist von der Gegenpartei angenommen sind. II. Siehe
auch das letzte Beispiel zu Sa.
In manchen Zällen kann ein versteckter Dissens der Parteien zwar nicht durch Anfech-
tung, aber doch in andrer Art unschädlich gemacht werden; es ist dies aber nur zulässig,
wenn der Dissens einen Nebenpunkt betrifft. Siehe darüber oben S. 234d.
9. Irrtümlich vorgenommene Rechtsgeschäfte, die den oben zu 1 ent-
wickelten Voraussetzungen nicht genügen, sind wegen Irrtums nicht anfechtbar.
Dies gilt namentlich, wenn der Irrtum unwesentliche Eigenschaften von Per-
sonen oder Sachen oder wenn er andre Voraussetzungen der Rechtsgeschäfte
als Personen= und Sacheigenschaften betrifft. Man pflegt zu sagen, daß in
diesen Fällen der Irrtum nicht das Geschäft selbst, sondern die Beweggründe,
die die Partei zum Abschluß des Geschäfts bestimmt haben, betreffe; danach
wird dann der „Geschäftsirrtum"“ und der „Irrtum in den Beweggründen“
unterschieden.
Beispiele. I. A. kauft eine Ausstattung, die er seiner Nichte, die sich demnächst ver-
heiraten will, zu schenken gedenkt; zur Zeit des Ankaufs ist aber die Nichte, ohne daß A.
es wußte, plötzlich gestorben. Hier ist der Kauf wegen Irrtums nicht anfechtbar. II. Siehe
unten bei III 1 a Beispiel II.
III. Ansfechtbar sind ferner rechtsgeschäftliche Willensäußerungen, die
durch die zur Übermittlung verwendete Person unrichtig übermittelt sind.
1. Eine rechtsgeschäftliche Willensäußerung ist wegen unrichtiger Über
mittlung anfechtbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (s. 120):
à) Die Übermittlung muß durch eine von dem Urheber der Außerung
damit betraute Person, insbesondre durch einen Boten oder durch eine Tele-
graphenanstalt, bewirkt sein. Nicht hergehörig ist also der Fall, daß jemand sich
bei Abgabe einer ÄAußerung durch einen Stellvertreter vertreten läßt; denn
hier hat der Stellvertreter nicht die Außerung eines andern als solche — d. h.
als Außerung eben dieses andern — zu „übermitteln“, sondern er hat die
Außerung als seine eigne, wennschon mit Wirkung für einen andern, selber
„abzugeben“. Ebensowenig gehört der Fall hierher, daß jemand eine Äuße-
rung durch eine Person übermitteln läßt, die nicht er selbst, sondern die
Gegenpartei, an deren Adresse die Außerung gerichtet ist, bestellt hat.:
Beispiele. A. bietet einen Ochsen und ein Pferd für den nämlichen Preis zum Kauf
aus; der Preis ist für den Ochsen ein mäßiger, für das Pferd dagegen, da es reichlich alt
ist, offenbar viel zu hoch. I. Erster Fall: B. läßt dem A. durch seinen Boten C. sagen,
daß er den Ochsen kaufen wolle; C. hat aber den B. mißverstanden und bestellt dem A.,
17) Voswinkel, Arch. f. BR. 32 S. 392.