272 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
spiegelt, die Münze sei unecht, und gibt damit sein Eigentum an ihr preis; E. nimmt sie
an sich. Hier kann C. seine Preisgabe anfechten und die Münze dem E. abfordern, ohne
Rücksicht darauf, ob dieser in gutem oder in schlechtem Glauben gehandelt hat.
2. Das Anfechtungsrecht steht nur dem Getäuschten zu.
3. Die Regel, daß die Anfechtung wegen Irrtums nicht später als 30 Jahre
nach Abgabe der irrtümlichen Außerung erfolgen darf, selbst wenn in dieser
Zeit der Irrtum unentdeckt geblieben ist, findet auch auf die Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung Anwendung. Unanwendbar ist dagegen die Regel, daß
die Anfechtung unverzüglich erfolgen muß, sobald der Irrtum entdeckt ist;
vielmehr genügt es, wenn der Getäuschte sein Anfechtungsrecht binnen eines
Jahrs von dem Augenblick, da er die Täuschung erfährt, geltend macht (124).
4. Das Anfechtungsrecht gilt auch dann, wenn der Getäuschte die
Täuschung bei einiger Aufmerksamkeit hätte durchschauen müssen.
5. Von einer Schadensersatzpflicht des Getäuschten ist keine Rede.
II. Anfechtbar ist ein Rechtsgeschäft ferner, wenn die ihm zugrunde
liegende Willensäußerung durch Drohungen widerrechtlich erzwungen
ist (123). Den Drohungen steht die Anwendung von Gewalt gleich.“
1. a) Die Drohung muß „erheblich“, d. h. für den Willensentschluß des
Bedrohten bestimmend gewesen sein. Was hierzu gehört, hängt lediglich von
der subjektiven Stimmung des Bedrohten, also namentlich von dem Grade
seiner Angstlichkeit, ab.
b) Die Beeinflussung des Bedrohten muß „widerrechtlich“ gewesen sein.
Dies ist der Fall, wenn der Urheber der Drohung auf die Abgabe der er-
zwungenen Außerung kein Recht gehabt hat und die von ihm angewendete
Drohung entweder wegen ihres Inhalts oder wegen ihres Zwecks verboten
war oder gegen die guten Sitten verstieß. War der Urheber dagegen befugt,
die Außerung, die er dem Bedrohten abgezwungen hat, von ihm zu fordern,
oder entbehrte er zwar dieser Befugnis, hat aber nur erlaubte, harmlose
Drohmittel gebraucht, so kann von Widerrechtlichkeit des Zwangs nicht die
Rede sein.?
Beispiel. I. A. hat von B. die sofortige Zahlung von 100 Mk. zu fordern und zwingt
ihn durch Androhung von Prügeln, die Zahlung wirklich zu leisten. Unanfechtbar! Denn
A. hat dem B. nur das abgezwungen, was er von ihm zu fordern befugt war. II. C.
zwingt den Buchhändler D., bei dem er wissentlich die alte Auflage eines Lehrbuchs gekauft
hat, zur Rücknahme des Buchs durch die Drohung, er würde, wenn die Rücknahme abgelehnt
würde, niemals wieder ein Buch bei D. kaufen. Unanfechtbar! Allerdings konnte C. die
Rücknahme von D. nicht fordern; er hat aber zu ihrer Erzwingung nur ein harmloses Droh-
mittel gebraucht. III. E. droht dem F., ein von diesem vormals begangenes Sittlichkeits-
vergehn bekannt zu machen, falls er, F., nicht an ihn, E., und an die Armenkasse je 1000
Mk. zahle. Vielleicht unanfechtbar, soweit die Schenkung an die Armen, sicher anfecht-
bar, soweit die Schenkung an E. in Frage ist! Allerdings konnte E. weder die Schenkung
4) v. Blume, Jahrb. f. Dogm. 38 S. 224; Planck, Göttinger Festgaben für Regels-
berger (01) S. 151. — R. 60 S. 372.
5) v. Blume a. a. O. S. 255; Crome 1 S. 432. Abw. Planck zu § 128.