8 66. Stellvertreter. Bote. Selbstpartei. 275
er selbst die Auswahl zwischen rohem und gekochtem Schinken treffen soll, hat keine rechts-
geschäftliche, sondern nur tatsächliche Bedeutung, weshalb denn diese Wahl auch von einem
noch nicht siebenjährigen Kinde gültig getroffen werden kann; ganz ebenso hätte ja Frau A.
die Auswahl auch durch ihren Pudel treffen lassen können.
b) Ob jemand, der ein Rechtsgeschäft vornimmt, dies als Selbstpartei
oder als Vertreter eines andern tut, ist zunächst nach den allgemeinen Aus-
legungsregeln zu bestimmen. Es ist also nicht erforderlich, daß er sich aus-
drücklich als Selbstpartei oder als Vertreter eines andern bezeichnet oder daß
er die hierfür allgemein üblichen Formeln, „er handle im eignen Namen“, er
handle im Namen eines andern"“, gebraucht, sondern es genügt, wenn aus
den Umständen erkennbar — und zwar bei empfangsbedürftigen Geschäften
gerade für die Gegenpartei erkennbar — hervortritt, ob er Selbstpartei oder
ob er Vertreter eines andern sein will (164 1). Eine Schwierigkeit entsteht
nur, wenn sich aus den Umständen weder das eine noch das andre ergibt.
a) Für diesen Fall stellt das Gesetz die Regel auf, daß „der Mangel
des Willens, im eignen Namen zu handeln, nicht in Betracht komme“ (164
ID. Das will besagen: wer ein Rechtsgeschäft in dieser zweideutigen Art
vornimmt, soll stets als Selbstpartei angesehn werden.
6) Doch erleidet diese Regel eine im Gesetz nicht erwähnte, aber durch
das Bedürfnis des Rechtslebens geforderte Ausnahme, wenn die Frage, ob
er als Selbstpartei oder als Vertreter handelte, bei Vornahme des Geschäfts
für eine der beteiligten Parteien erkennbar gleichgültig war, während die andre
Partei ein Interesse an der Frage hatte. Alsdann ist die Frage nach der
mutmaßlichen Ansicht der interessierten Partei zu entscheiden, auch wenn diese
Ansicht für die nicht interessierte Partei unerkennbar war (s. oben S. 252).
Beispiele. I. Der Kellner A. weist in einem Gasthause einem ihm und dem Wirt B.
unbekannten Geschäftsreisenden C., der nur seinen eignen Namen genannt hat, ein Zimmer
zu, und dieser nimmt das Zimmer an. Hier ist klar, daß A. nicht in eignem, sondern in
B.s Namen, dagegen C. in eignem Namen und nicht im Namen der Firma, für die er
reist, gehandelt hat. II. 1. D., der Hotelchef des Gastwirts E. in M., will demnächst in M.
ein eignes Gasthaus eröffnen und macht mit E.s Erlaubnis durch dessen Telephon zahl-
reiche Bestellungen für dies sein Gasthaus; nun bestellt er auch bei F. die tägliche Lieferung
von Spargel für den Monat Juni und bedingt dabei eine längere Zahlungsfrist aus; nach
den Umständen ist es für F. schlechterdings nicht zu erkennen, ob D. diese Bestellung in
eignem Namen oder im Namen E.s gemacht hat. Wenn hier F. erwidert: ich nehme Ihre
Bestellung als in Ihrem eignen Namen gemacht an, so ist ein Vertrag zwischen D. und
F. gültig zustande gekommen, auch wenn D. tatsächlich die Spargel namens des E. be-
stellen wollte. Erwidert aber F.: ich nehme Ihre Bestellung als in E.s Namen gemacht
an, so ist dies eine Ablehnung von D.s Antrag, verbunden mit einem Gegenantrage, den
D. namens des E. annehmen oder ablehnen kann. Denn schon wegen der bedungenen
Zahlungsfrist haben alle Beteiligten ein Interesse daran, daß die Frage, wie D.s Bestellung
zu verstehn ist, in einem bestimmten Sinn entschieden wird. Die Auslegung muß also in
der gesetzlich bestimmten Weise geschehn, d. h. D. ist als Selbstpartei zu behandeln. 2. G.,
die Köchin des H., kauft in J.## Geschäft, in dem weder sie noch H. bekannt ist, gegen Bar-
zahlung Küchengerät; da sie wie eine Köchin angezogen ist, liegt der Gedanke nahe, daß sie
2) Siehe R. Leonhard S. 366; Rümelin, Arch. f. ziv. Pr. 93 S. 218.
18“