278 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
lichen Willenserklärung des Vollmachtgebers, die sowohl an die Adresse des
Vollmachtnehmers wie an die irgend eines Dritten gerichtet werden kann
(167 0.
aa) Die Vollmachtserteilung wirkt, wenn sie durch Erklärung an die
Adresse des Vollmachtnehmers geschieht, gegenüber jedermann. Wird sie da-
gegen durch Erklärung an die Adresse eines Dritten vollzogen, so ist sie nur
diesem gegenüber wirksam (167 I).
89) Die Vollmachtserteilung ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechts-
geschäft. Sie wird also erst wirksam, wenn sie tatsächlich an ihre Adresse
gelangt, bedarf dagegen der Annahme seitens des Adressaten nicht.
)) Die Vollmachtserteilung bedarf grundsätzlich einer Form nicht (167 H,)
und kann demnach auch stillschweigend vonstatten gehn.
0) Die Vollmachtserteilung ist nur beschränkt wirksam, wenn sie namens
einer nicht vollgeschäftsfähigen Person, sei es von ihrem gesetzlichen Vertreter,
sei es mit dessen Einwilligung von ihr selbst, erteilt wird; die also erteilte
Vollmacht gilt nämlich nur für solche Rechtsgeschäfte, für die der gesetzliche
Vertreter selber zuständig ist.
Beispiele. I. 1. Frau A., die, wie stadtbekannt, mit ihren erwachsenen Kindern in
größtem Unfrieden lebt, schreibt eines Tages dem B., bei dem ihre verwittwete Tochter C.
zur Miete wohnt, daß sie namens der C. die Wohnung kündige; B. hält diese Kündigung
für einen schlechten Scherz der A. und läßt sie um so mehr unbeachtet, als die C. ihm kurz
vorher ihre volle Zufriedenheit mit der Wohnung ausgesprochen hatte; in Wirklichkeit hat
sich aber die C. mit ihrer Mutter plötzlich versöhnt; dabei haben beide vereinbart, daß die
A. im Namen der C. deren Wohnung bei B. kündigen und sodann eine neue gemeinsame
Wohnung für sie beide mieten solle. Hier ist die Kündigung der A. für B. verbindlich;
denn die A. hatte, ohne daß B. es wußte, von der C. Vollmacht dazu empfangen. 2. D. sucht
bei dem Pferdehändler E. nach einem Reitpferde für seinen Sohn F., wird aber mit der
Auswahl nicht fertig und erklärt schließlich dem E.: „mein Sohn soll das Pferd selbst
wählen; ich erteile ihm hiermit Vollmacht dazu bis zum Preise von 2000 Mk.“; zufällig er-
scheint gleich darauf auch F. selbst bei E. und hat, obschon weder sein Vater ihm die Voll-
machtserteilung mitgeteilt hat noch E. ihn darüber informiert, die Dreistigkeit, in seines
Vaters Namen dem E. wirklich ein Pferd für 2000 Mk. abzukaufen. Hier ist der Kauf des
F. für D. verbindlich; denn F. hatte von E., ohne daß er selbst es wußte, Vollmacht dazu
empfangen. 3. G. hat dem H. geschrieben, daß er ihm Vollmacht erteile, sein Haus zu
verkaufen; außerdem hat er dem J. gesagt, daß er den H. bevollmächtige, das im Hause
befindliche Mobiliar gleich mit zu veräußern. Hier kann H. mit Verbindlichkeit für G. das
Haus an jedermann, das Mobiliar aber nur an J. verkaufen. Denn G.3 Vollmacht in
Ansehung des Hauses ist gegenüber jedermann, die Vollmacht in Ansehung des Mobiliars
ist nur gegenüber J. wirksam. II. M. hat an seinen Freund N. einen Brief abgeschickt, in
dem er ihm zum Ankauf bestimmter Wertpapiere Vollmacht gibt; dieser Brief geht aber
auf der Post verloren; doch erfährt N. zufällig durch die Frau des M. von der Vollmacht
und schafft daraufhin die Papiere wirklich namens des M. an. Hier ist der Kauf für M.
unverbindlich; denn N. hat eine Vollmacht von M. tatsächlich nicht erhalten. III. O. hat
dem Rechtsanwalt P. Vollmacht zur Ordnung seiner Hypotheken erteilt; P. ist aber durch-
aus nicht gesonnen, die Vollmacht anzunehmen, da er weiß, daß O. ein Querulant ist; er
will deshalb dem O. abschreiben; noch bevor er es tut, trifft aber ein Schreiben des Q.,
eines Hypothekengläubigers des O., bei ihm ein, in dem dieser, der zufällig von der Bevoll-
mächtigung P.s erfahren hat, seine Hypothek kündigt. Hier ist die Kündigung O.s für O.
verbindlich; denn die von O. dem P. erteilte Vollmacht bestand, obschon P. sie nicht ange-