Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 67. Kausale Vollmacht. Vollmacht zu einseitigen Rechtsgeschäften. 281 
b) Die Vollmacht ist entweder kausal oder abstrakt, je nachdem sie 
von einem zwischen dem Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer bestehenden 
anderweitigen Rechtsverhältnis, dem Grundverhältnis der Vollmacht, recht- 
lich abhängig ist oder aber selbständig auf eignen Füßen steht. Ob das eine 
oder das andre der Fall, hängt von dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen 
des Vollmachtgebers bei Begründung der Vollmacht ab. 
Beispiel. Tischlermeister A. hat sowohl seinem Gesellen B. wie seinem Freunde C. 
Vollmacht gegeben, gewisse ihm zustehende Geschäftsforderungen einzuziehn. Hier ist die 
erstere Vollmacht kausal, weil sie davon abhängig ist, daß B. im Dienst A.8 steht; letztere 
Vollmacht ist dagegen abstrakt. 
c) Der Umfang der Vollmacht ist nur für einige Vollmachtsarten, die 
überwiegend dem Handelsrecht angehören, von Gesetzes wegen bestimmt. Bei 
den übrigen Vollmachten kommt es dagegen lediglich auf den wirklichen oder 
mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers bei Begründung der Vollmacht an: 
der Vollmachtgeber kann den Umfang der Vollmacht beliebig eng, er kann ihn 
beliebig weit bemessen. 
Beispiele s. unten bei h. 
d4) Auch die Frage, ob ein Vollmachtnehmer seine Vollmacht ganz oder 
teilweise auf andre Personen übertragen kann (Substitutionsbefugnis), 
ist nur für einige wenige Arten der Vollmacht gesetzlich entschieden. Bei allen 
andern Vollmachten ist lediglich der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Voll- 
machtgebers maßgebend. 
Beispiel. Wenn A. seinen Freund B. bevollmächtigt, ein Haus für ihn zu kaufen, und 
wenn er dem Bankier C. Vollmacht gibt, gewisse ihm von D. zu liefernde Wertpapiere in 
Empfang zu nehmen, so hat B. keine Substitutionsbefugnis, während C. seine Vollmacht 
wenigstens auf seine eignen Angestellten gültig übertragen kann. 
e) Je nach dem Umfang, den der Vollmachtgeber der Vollmacht gegeben, 
geht diese ebensogut auf einseitige Rechtsgeschäfte wie auf Verträge. Doch gilt 
für die einseitigen Rechtsgeschäfte eines Bevollmächtigten eine ähnliche Be- 
sonderheit wie für einseitige Rechtsgeschäfte, die ein Minderjähriger ohne die 
erforderliche Einwilligung seines Gewalthabers vornimmt (s. oben S. 189): sie 
sind nämlich, falls sie gegenüber der Gegenpartei vorzunehmen sind, unwirksam, 
wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und die Gegen- 
partei das Geschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist; die Zurück- 
weisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber der Gegenpartei die Voll- 
macht mitgeteilt hatte (174). 
Beispiele. I. Der Witwer A., der bei B. zur Miete wohnt, aber fast stets auf Reisen 
ist, hat seine Tochter C. mündlich bevollmächtigt, entweder, falls B. den Mietzins etwas 
herabsetzt, mit ihm eine Verlängerung des Mietvertrages auf drei Jahre zu vereinbaren 
oder aber die Miete auf den 1. April zu kündigen; die C. tritt demgemäß mit B. in Ver- 
handlung, und B. bietet ihr wirklich die Verlängerung des Mietvertrages auf drei Jahre 
unter einer kleinen Herabsetzung des Mietzinses an. Hier ist die C. in der Lage, namens 
ihres Vaters den Antrag B.s sofort bindend anzunehmen, und B. kann diese Annahme nicht 
zurückweisen, auch wenn ihm alsbald Bedenken darüber kommen, ob die C. zu ihrer Er-
	        
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