Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 67. Erlöschen der Vollmacht. 283 
lassen. Hier kann C. dem D. vor Ablauf der fünf Jahre die Direktorstelle nur aus wichtigen 
Gründen kündigen (626); dagegen kann er ihm die Vollmacht zur Anstellung und Ent- 
lassung der Arbeiter auch aus einem ganz geringfügigen Grunde oder gar ohne Grund so- 
fort wieder entziehn, da er das etwaige persönliche Interesse, das D. an der Fortdauer 
der Vollmacht hat, nicht zu beachten braucht. 2. E. hat mit F. einen Gesellschaftsvertrag 
auf fünf Jahre abgeschlossen und ihm dabei Vollmacht gegeben, Rechtsgeschäfte, die der Be- 
trieb des Gesellschaftsunternehmens mit sich bringt, mit in seinem Namen selbständig abzu- 
schließen. Hier kann E. dem F. vor Ablauf der fünf Jahre die Gesellschaft nur aus wichtigen 
Gründen kündigen (723) und kann auch seine Vollmacht zum Abschluß der Gesellschafts- 
geschäfte während dieser Zeit nur aus wichtigen Gründen widerrufen, da das eigne Interesse, 
das F. an der Fortdauer der Vollmacht haben muß, auch von E. nicht außer acht gelassen 
werden darf (715). 3. G. hat von der Stadt H. deren Theater auf fünf Jahre gepachtet 
und dabei Vollmacht empfangen, Namens der Stadt geeignete Nebenräume zur Unterbringung 
der Dekorationen und Requisiten zu mieten. Hier kann die Stadt den Pachtvertrag vor 
Ablauf der fünf Jahre nur aus bestimmten teils im Gesetz, teils im Vertrage genannten 
Gründen kündigen; ob sie dem G. auch die Vollmacht zum Abschluß jenes Mietsvertrages 
während der ganzen fünf Jahre lassen muß, hängt davon ab, ob sie dem G. die Vollmacht 
zugleich in dessen eignem Interesse — nämlich um ihm die Beschaffung geeigneter Neben- 
räume unter allen Umständen zu sichern — oder nur im Interesse der Stadt — nämlich 
um ihr die Beschaffung geeigneter Nebenräume zu erleichtern — zugestanden hat; im 
Zweifel ist das letztere anzunehmen. 4. J. besorgt mit Recht, daß seine Schwester K. ihr 
Vermögen schlecht verwalten und schließlich, völlig verarmt, ihm zur Last fallen wird, und 
bestimmt sie deshalb dazu, die Verwaltung ihres Vermögens ganz auf ihn zu übertragen 
und ihm zugleich unwiderrufliche Generalvollmacht zu gewähren. Hier kann die K. diese 
Vollmacht trotzdem zu jeder Zeit widerrufen, obschon J. zweifellos ein Interesse an der 
Fortdauer der Vollmacht hat. Denn mit dem zwischen J. und der K. bestehenden Grund- 
verhältnis — Auftrag zur Vermögensverwaltung — ist die Unwiderruflichkeit der Vollmacht 
nicht vereinbar. Auch ist zu erwägen, ob nicht die Erteilung einer unwiderruflichen Ge- 
neralvollmacht überhaupt gegen die guten Sitten ist.“ III. Major M. hat seinem Freunde 
und Regimentskameraden Rittmeister N. Generalvollmacht zur Besorgung seiner Vermögens- 
angelegenheiten erteilt, weil er wiederholt an Anfällen von Nervenabspannung gelitten hat 
und während eines solchens Anfalls für alle Geschäfte unbrauchbar ist. Hier endigt die 
Vollmacht N.# nach dem mutmaßlichen Willen des M., wenn N. stirbt oder geschäftsunfähig 
wird, während der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit M.s ihr nichts anhat. Sie endigt ferner, 
wenn N. sie kündigt; freilich bedarf, wie wir sahen, die Vollmacht einer posiriven Annahme 
von seiten des Vollmachtnehmers nicht; andrerseits ist aber in unserm Fall nicht glaub- 
haft, daß M. sie auch dann fortbestehn lassen will, wenn N. sie geradezu ablehnt. Sie 
endigt ferner, wenn die Freundschaft zwischen M. und N. sich in Feindschaft verwandelt, 
während das Aufhören der Regimentskameradschaft — N. wird z. B. in ein andres Regi- 
ment versetzt oder M. nimmt den Abschied — unerheblich ist. Sie endigt endlich, wenn M. 
dauernd gesund wird und die Vollmacht N.s deshalb so lange unbenutzt bleibt, daß sie in 
Bergessenheit gerät. 
Daraus, daß eine kausale Vollmacht erlischt, wenn das Grundverhältnis, von dem sie 
abhängt, endigt, scheint zu folgen, daß die Vollmacht überhaupt nicht in Kraft tritt, wenn 
dies Grundverhältnis schon bei ihrer Begründung nicht bestand, sei es, daß es damals noch 
nicht wirksam geworden, sei es, daß es damals schon aufgehoben war. Doch ist diese 
Folgerung nur bei Vollmachten zutreffend, die auf Vollmachtserteilung an die Adresse des 
Vollmachtnehmers beruhn. Dagegen ist sie wenigstens der Regel nach hinfällig bei Voll- 
machten, die auf Vollmachtserteilung an die Adresse eines Dritten oder auf Vollmachts- 
anzeige beruhn. Denn wenn jemand eine kausale Vollmacht in dieser Art begründet, erklärt 
er damit der Regel nach zugleich stillschweigend, daß wenigstens im Augenblick das Grund- 
verhältnis, von dem die Vollmacht abhängt, zu Recht besteht, und hierauf muß sich jeder 
4) v. Tuhr a. a. O. S. 55.
	        
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