Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

288 Buch J. Abschnitt ö. Rechtsgeschäfte. 
gegenüber ihren ehelichen Kindern mit deren Geburt, ein Vormund oder Pfleger 
gegenüber seinen Pflegebefohlenen mit ihrer amtlichen Bestellung. 
b) Die gesetzliche Vertretungsmacht ist immer kausal: sie hängt stets da- 
von ab, daß dem gesetzlichen Vertreter das Recht und die Pflicht der Sorge 
für gewisse Angelegenheiten des Vertretenen übertragen ist. 
c) Der Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht ist stets gesetzlich mehr 
oder minder genau bestimmt. Die Einzelheiten sind erst später darzustellen. 
d) Der gesetzliche Vertreter kann seine gesetzliche Vertretungsmacht weder 
ganz noch teilweise auf einen andern übertragen. Dagegen steht es ihm frei, 
rechtsgeschäftlich für die von ihm gesetzlich vertretene Person einen Bevoll- 
mächtigten zu bestellen. 
e) Daß bei Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte durch den gesetzlichen 
Vertreter die Gegenpartei die Vorlegung einer Urkunde über seine Vertretungs- 
macht verlangen könne, ist nicht vorgeschrieben. Das ist auffällig. Denn 
wenigstens einige Arten der gesetzlichen Vertreter sollen im Besitz einer solchen 
Urkunde, der sog. Bestallung, sein (1791, 1915). 
s) Die gesetzliche Vertretungsmacht erlischt stets, wenn das Grundverhältnis 
aufhört, von dem sie abhängt. Daneben finden sich bei den verschiedenen Arten 
der gesetzlichen Vertretungsmacht noch andere Erlöschungsgründe. Daß der 
Vertretene seinerseits dem Vertreter die Vertretungsmacht willkürlich entziehn 
könnte, wie ein Vollmachtgeber, ist nur selten und, wo es vorkommt, nur unter 
gewissen Einschränkungen bestimmt (1357 II, 1920). 
g) Das Erlöschen der gesetzlichen Vertretungsmacht wirkt Dritten gegen- 
über sofort: selbst daß ein des Amts entlassener Vormund noch seine Be- 
stallung in Händen hat und sie beim Abschluß eines Rechtsgeschäfts der gut- 
gläubigen Gegenpartei vorlegt, macht das Geschäft nicht gültig! Der Grund 
dieser Verschiedenheit von rechtsgeschäftlicher Vollmacht und gesetzlicher Ver- 
tretungsmacht liegt auf der Hand: der Vollmachtgeber muß, wenn sein Bevoll- 
mächtigter nach Erlöschen der Vollmacht mit gutgläubigen Dritten Rechts- 
geschäfte abschließt, den Schaden tragen, weil er den Bevollmächtigten selber 
willkürlich bestellt hat; der Mündel hingegen bekommt seinen Vormund ohne 
sein Zutun, muß also in jedem Fall haftfrei sein, sobald der Vormund 
seiner Machtstellung entsetzt wird. Eine Ausnahme gilt für die gesetzliche Ver- 
tretungsmacht der Ehefrau (1357 1Ih). 
h) Besondre Auslegungsregeln wie bei der Vollmacht gibt es bei der 
Vertretungsmacht nicht. 
i) Dagegen ist ein Außen- und ein Innenverhältnis auch bei ihr gerade 
so zu unterscheiden wie bei der Vollmacht. 
Beispiel. Wenn ein Vater namens seines minderjährigen Kindes ein Grundstück kauft 
und dabei schuldhafterweise einen zu hohen Kaufpreis bewilligt, so ist das Geschäft im Außen- 
verhältnis gültig; im Innenverhältnis ist aber der Vater verpflichtet, seinem Kinde Schadens- 
ersatz zu leisten. 
Die oben gegebene Bestimmung des Begriffs „„gesetzlicher Vertreter“ gilt nur für das
	        
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