Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

290 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
Beispiel. Das H##. schreibt zahlreiche Besonderheiten für Handelsgeschäfte vor und 
bestimmt, daß als Handelsgeschäfte alle Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns gelten sollen, die 
zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (HGB. 343). Hier ist anzunehmen, daß bei Ge- 
schäften, die ein Vertreter abschließt, die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen erforderlich 
und genügend ist, während es auf die Kaufmannseigenschaft des Vertreters nicht ankommt. 
Das ist namentlich bei der Auslegung von HGB. 366 zu beachten. 
4) Wird für irgendeine Rechtswirkung die Anwesenheit der Partei vor- 
geschrieben, so ist es erforderlich und genügend, wenn der Vertreter anwesend 
ist. Auf die Anwesenheit des Vertretenen kommt nichts an. 
Beispiele. I. A. rust den Kaufmann B. telephonisch an und erklärt, als B. sich per- 
sönlich am Telephon meldet: „Ihr Prokurist C. bietet mir eben brieflich Eisen an; sagen 
Sie ihm, daß ich auf den Antrag nur eingehe, wenn er mir 3 °% Skonto bewilligt“; B. er- 
widert: „ich werde es ausrichten“. Hier ist A.s Gegenantrag nicht etwa erloschen, weil B. 
ihn nicht „sofort“ angenommen hat (147 1); denn der Antrag war trotz B.s Anwesenheit 
einem Abwesenden gemacht. II. D. schickt seinen Diener E. mit einem brieflichen Antrage 
an F.; am Schluß des Briefs heißt es: „Sie können Ihre Antwort gleich dem E. mündlich 
mitteilen“. Hier ist, da E. bei der Stellung des Antrages nicht als Vertreter, sondern nur 
als Bote D.s auftritt, der Antrag einem Abwesenden gemacht; es schadet also nichts, wenn 
F. seine Antwort nicht sofort abgibt, zumal ja auch D. die Antwort an den Boten E. nicht 
gefordert, sondern nur gestattet hat. 
e) Die Formen des Rechtsgeschäfts muß der Vertreter beobachten, nicht 
der Vertretene. So genügt es, wenn einen Vertrag, für den Schriftlichkeit 
vorgeschrieben ist, der Vertreter mit seinem Namen unterschreibt, sofern nur 
aus dem Text des Vertrages erkennbar ist, daß er im Namen eines andern 
handelt. Der Vertreter darf aber den Vertrag auch mit des Vertretenen Namen 
unterschreiben, wenn seine Vertretungsmacht dazu ausreicht. 
Letzteres wird häufig bestritten 10, weil das Gesetz die „eigenhändige" Namensunter- 
schrift dessen, der die Erklärung abgibt, fordert. Das Gesetz sagt aber nicht, daß die Unter- 
schrist mit dem eignen Namen des Erklärenden geschehn soll; daß es die „Eigenhändigkeit" 
der Unterschrift besonders betont, soll nicht die Unterschrift durch einen Vertreter, sondern 
die Unterzeichnung durch einen Stempel ausschließen. 
Siehe serner R. FG. 168, 170 ff. und RG. 49 S. 129. 
1) In den vielen Fällen, in denen die Wirkung eines Rechtsgeschäfts 
davon abhängt, ob eine Partei einen bestimmten Umstand gekannt hat oder hat 
kennen müssen, ist das Kennen oder Kennenmüssen nur des Vertreters ent- 
scheidend. Bloß insoweit, als die Vertretungsmacht eine Vollmacht ist und der 
Vertretene an dem Geschäftsabschluß tätig teilnahm, indem er den Vertreter 
mit Aufträgen versah, kommt auch das Kennen oder Kennenmüssen des Ver- 
tretenen, gleichwertig mit dem des Vertreters, in Betracht (166). 
Beispiele. I. A. bevollmächtigt den B., irgendeine Majolikavase für etwa 30 Mk. zu 
kaufen; B. kauft eine Vase, die einen Sprung hat. Hier darf A., wenn B. den Sprung 
beim Kaufabschluß hätte bemerken müssen, die Vase nicht zurückweisen, auch wenn er selber 
von dem Sprung erst nach dem Kaufabschluß Kenntnis hat gewinnen können; dagegen kann 
er die Vase wohl zurückweisen, wenn der Sprung für B. nicht erkennbar war, mag er auch 
10) Dafür Staub Anm. 46 zu H#. 350; RG. 50 S. 51 (s. aber auch RG. 58 S. 
388). Abw. Goldmann 1 S. 15817; Ortmann Anm. 4a zu § 126; Wieland, Zischr. f. 
schweizer. Recht 24 S. 264.
	        
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