8 67. Erfordernisse u. Wirkung des Geschäftsabschlusses durch Vertreter. 291
selber früher einmal jene Vase gesehn und dabei ihre Schadhaftigkeit bemerkt haben. II. A.
bevollmächtigt den B., eine individuell bestimmte Vase zu kaufen; B. kauft sie wirklich,
obschon sie einen Sprung hat. Hier muß A. die Vase behalten, nicht bloß, wenn der Sprung
dem B., sondern auch dann, wenn er ihm selbst erkennbar war; dies gilt sogar dann, wenn
A. den Sprung erst hat bemerken können, nachdem er seine Vollmacht bereits erteilt hatte,
sofern nur noch Zeit genug ist, die Vollmacht zu widerrufen. III. Der minderjährige C.
weiß, daß sein Freund D. Wertpapiere geslohlen hat, aber nicht zu verkaufen wagt; er bittet
nun seinen Vormund E., die Papiere für ihn zu erwerben, natürlich ohne zu erwähnen,
daß sie gestohlen sind; E. tut dies auch wirklich. Hier wird C. Eigentümer der Papiere
(932, 935 II); denn seine eigene Unredlichkeit schadet ihm nichts, da hier nicht eine Vertretung
kraft Vollmacht, sondern kraft gesetzlicher Vertretungsmacht vorliegt.
8) Ob eine rechtsgeschäftliche Außerung ohne ernstliche Absicht oder irr-
tümlich oder erzwungen abgegeben ist oder sonst an einem Willensmangel leidet,
muß ausschließlich aus der Person des Vertreters beurteilt werden. Doch ist
der Irrtum des Vertreters dann unerheblich, wenn der Vertretene die Tat-
sachen, auf die des Vertreters Irrtum sich bezog, seinerseits richtig erkannt
hat, vorausgesetzt, daß die Vertretungsmacht des Vertreters eine Vollmacht
war und jene vom Vertreter verkannten, vom Vertretenen erkannten Tatsachen
in den Rahmen der vom Vertretenen dem Vertreter gegebenen Weisungen fielen.
Beispiele. A. gibt dem B. ernstlich Auftrag und Vollmacht, ein bestimmtes Bild zu
kaufen. I. B. findet das Bild so häßlich, daß er nur zum Scherz ein Kaufgebot macht.
Hier ist sein Gebot nichtig. II. B. will auf das Bild ernstlich bieten, aber nur 2000 Francs,
während A. ihm aufgetragen hat, 2000 Mk. zu bieten; er verspricht sich aber und sagt auf-
tragsgemäß „2000 Mk.“ Hier ist sein Gebot anfechtbar. III. A. weiß, daß das Bild kein
Original ist; B. weiß es nicht. Hier ist, wenn A. dem B. genau den Kaufpreis vorgeschrieben
hat, der Irrtum B.s gleichgültig; hat B. dagegen freie Hand und bietet im Glauben, ein
Original vor sich zu haben, unverhältnismäßig viel, so ist der Irrtum B.s erheblich.
2. Nach ähnlichen Regeln ist ein empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft zu
beurteilen, das gegenüber einem Vertreter vorgenommen wird.
III. Ein Rechtsgeschäft, das der Vertreter als solcher im Rahmen seiner
Vertretungsmacht vorgenommen hat oder das in eben diesem Rahmen ihm
gegenüber vorgenommen ist, hat Rechtswirkung nicht für den Vertreter per-
sönlich, sondern nur für den Vertretenen (164 J, III). Es wachsen also die Rechte,
die durch das Geschäft begründet werden, nicht dem Vertreter an; somit kann
dieser die durch seine eigne Tat erworbenen Rechte selber nicht geltend machen,
es sei denn, daß seine Vertretungsmacht sich auch hierauf erstreckt. Wohl aber
fallen die Rechte dem Vertretenen zu, und zwar sofort, also oft genug, ohne
daß er von seinem Rechtserwerbe etwas erfährt. Ebenso wird durch die
Pflichten, die das Rechtsgeschäft begründet, nicht der Vertreter persönlich be-
lastet; Schuldner ist vielmehr allein der Vertretene.
Beispiele. I. 1. A., der dem Kürschner B. 1000 Mk. schuldig ist, verkauft dem B. im
Namen und kraft Vollmacht des C. einen Pelz für 2000 Mk. Hier kann B. nicht etwa
auf seine Schuld von 2000 Mk. die Forderung gegen A. in Höhe von 1000 Mk. auf-
rechnen. Denn die Forderung auf die 2000 Mk. steht nicht dem A., sondern dem C. zu.
2. Ebensowenig ist, wenn B. die Bezahlung der 2000 Mk. verweigert, A. befugt, den B.
auf Zahlung zu verklagen. Denn die Forderung auf die 2000 Mk. ist ja nicht seine eigne.
Er könnte also den Prozeß höchstens im Namen C.s führen. Dazu reicht aber seine Voll-
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