Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

294 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
c) Vertretung ohne Vertretungsmacht.: 
§ 69. 
I. 1. Hat jemand als Vertreter eines andern einen Vertrag abgeschlossen, 
ohne eine zureichende Vertretungsmacht für ihn zu besitzen, so macht der Ver- 
trag zunächst einen Schwebezustand durch: es kann nämlich einerseits der Ver- 
treter den Vertrag nachträglich genehmigen (177); andrerseits kann die Gegen- 
partei solange, als die nachträgliche Genehmigung nicht erfolgt ist, den Vertrag 
widerrufen, es sei denn, daß ihr beim Abschluß des Vertrages der Mangel 
der Vertretungsmacht nachweislich bekannt gewesen ist (178). Für die nach- 
trägliche Genehmigung des Vertretenen sind analoge Regeln maßgebend wie 
die, die bei einem Vertrage, den ein Minderjähriger ohne die erforderliche 
Einwilligung seines Gewalthabers abgeschlossen hat, für die nachträgliche Ge- 
nehmigung des Gewalthabers gelten (177; s. oben S. 183 60). Hervorgehoben 
sei, daß die Gegenpartei den Vertretenen zur Erklärung über seine Genehmigung 
auffordern kann und daß diese Aufforderung eine zwiefache Wirkung hat: 
a) Erstens kann der Vertretene, während er vorher seine Genehmigung 
sowohl gegenüber dem Vertreter wie gegenüber der Gegenpartei erteilen oder 
verweigern konnte, fortab beide Erklärungen nur noch gegenüber der Gegen- 
partei abgeben. Ja es werden sogar etwaige Erklärungen, die er vorher 
gegenüber dem Vertreter abgegeben hat, nunmehr wirkungslos. 
b) Zweitens wird das Genehmigungsrecht des Vertretenen nunmehr zeit- 
lich begrenzt: der Vertretene kann die Genehmigung nur binnen vierzehn 
Tagen seit Empfang der Aufforderung erklären; läßt er die Frist verstreichen, 
so gilt die Genehmigung als verweigert. 
Beispiel. A. verkauft, während sein Vater B. verreist ist, den Siegelring des B. in 
dessen Namen an seinen Freund C.; beide wissen, daß A. zu dem Verkauf keine Vollmacht 
hat, sind aber dennoch in gutem Glauben; denn B. hat wiederholt ausgesprochen, daß er 
den Ring gern verkaufen wolle, wenn jemand ihm 60 Mk. dafür bieten würde:; C. hat aber 
— und zwar lediglich aus persönlicher Freundschaft für A. — sogar 80 Mk. dafür bezahlt; 
nachträglich bekommt jedoch A. Angst, sein Vater werde über seine Eigenmächtigkeit erzürnt 
sein; er vereinbart deshalb mit C., daß der ganze Handel wieder rückgängig gemacht werde 
und sein Vater nichts davon erfahren solle. Hier ist C. trotzdem an den Kauf gebunden. 
Denn nur der Vater B., nicht sein Sohn A. konnte dem C. die Haftung aus dem in B.8 
Namen geschlossenen Vertrage erlassen. Erfährt also B. den Ringverkauf, so kann er ihn 
noch nach Jahren genehmigen und den C. auf Abnahme des Ringes und Zahlung von 
80 Mk. verklagen. 
2. Solange der Schwebezustand zu 1 währt, hat der Vertrag andre 
Wirkungen als die zu 1 genannten — das Genehmigungsrecht des Vertretenen 
und das Widerrufsrecht der Gegenpartei — nicht. Insbesondre kann sowohl der 
Vertretene wie der Vertreter weder die Erfüllung des Vertrages fordern noch 
zur Erfüllung des Vertrages gezwungen werden: der Vertretene nicht, weil 
1) Hupka, Vertretung ohne Vertretungsmacht (03).
	        
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