Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 69. Vertretung ohne Vertretungsmacht. 295 
der Vertreter zum Abschluß des Vertrages für ihn keine Vertretungsmacht 
besaß, der Vertreter nicht, weil er den Vertrag nicht in eignem Namen ab- 
geschlossen hat. 
3. Anders, wenn der Schwebezustand sein Ende erreicht hat. Es sind 
alsdann drei Fälle zu unterscheiden. 
a) Erster Fall: der Vertretene hat den Vertrag nachträglich gültig ge- 
nehmigt. Alsdann wird der Vertrag so behandelt, als ob der Vertreter von 
Anfang an mit zureichender Vertretungsmacht ausgerüstet gewesen wäre (184). 
Der Vertrag ist also für und gegen den Vertretenen voll wirksam, für und 
gegen den Vertreter unwirksam (164 I. 
b) Zweiter Fall: die Gegenpartei hat den Vertrag, bevor der Vertretene 
ihn genehmigt hat, gültig widerrufen. Alsdann ist der Vertrag gänzlich 
wirkungslos: er ist sowohl für und gegen den Vertretenen wie für und gegen 
den Vertreter unwirksam. 
I) Dritter Fall: der Vertretene hat es abgelehnt, den Vertrag nachträglich 
zu genehmigen, ohne daß zuvor die Gegenpartei ihn widerrufen hat. Hier ist 
der Vertrag für und gegen den Vertretenen und für den Vertreter wirkungs- 
los. Wohl aber kann er gegen den Vertreter wirksam sein. 
a) Ohne Wirkung gegen den Vertreter ist der Vertrag auch hier, wenn 
die Gegenpartei beim Abschluß des Vertrages nachweislich den Mangel der 
Vertretungsmacht gekannt hat oder hätte kennen müssen oder wenn der Ver- 
treter nur beschränkt geschäftsfähig war und ohne die Zustimmung seines Ge- 
walthabers gehandelt hat (179 III). 
6) Hiervon abgesehn ist der Vertreter der Gegenpartei aus dem Vertrage 
persönlich haftbar. Er muß eben der Gegenpartei dafür aufkommen, daß die 
Vertretungsmacht, die er für sich in Anspruch genommen, auch wirklich nach- 
weisbar zu Recht besteht. 
aa) Und zwar haftet er regelmäßig der Gegenpartei nach deren Wahl 
entweder auf Erfüllung des Vertrages, geradeso wie wenn er den Vertrag im 
eignen Namen geschlossen hätte, oder auf Ersatz des Schadens, den die Gegen- 
partei dadurch erlitten hat, daß der Vertrag nicht gültig zustande gekommen 
ist (179 D. 
66) Nur wenn er beweisen kann, daß er selber den Mangel der Ver- 
tretungsmacht nicht gekannt hat, wird seine Haftung ermäßigt. Sie geht näm- 
lich alsdann nicht auf Erfüllung oder Schadensersatz, sondern nur auf 
Schadensersatz. Außerdem umfaßt sie lediglich das negative Geschäftsinteresse 
der Gegenpartei, d. h. den Schaden, den diese dadurch erlitten hat, daß sie auf 
die Gültigkeit des Vertrages vertraute, jedoch nicht über den Betrag des 
Interesses hinaus, das sie an der Gültigkeit des Vertrages hatte (179 1Ul). 
Beispiele. I. A. hat seine Villa, die von Sachverständigen auf 58000 Mk. geschätzt 
wird, an den Agenten B. als den Vertreter des C. für 80000 Mk. verkauft; gleich darauf 
wird ihm von D. 75000 Mk. für die Villa geboten; er lehnt aber dies Gebot ab, weil er
	        
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