296 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
sich gegenüber C. gebunden glaubt; später stellt sich heraus, daß C. die dem B. erteilte Voll-
macht zum Kauf der Villa noch vor dem Kaufabschluß gültig widerrufen hatte und daß er
sich weigert, den Kauf nachträglich zu genehmigen. 1. Hier kann A. keinerlei Ansprüche
gegen C. erheben. 2. a) Ebensowenig stehn ihm Ansprüche gegen B. zu, wenn er den Wider-
ruf der Vollmacht B.s gekannt hat oder hätte kennen müssen. b) Andernfalls kann er der
Regel nach von B. verlangen, daß dieser ihm die Villa selber abnimmt und ihm 80000 Mk.
dafür bezahlt; er kann aber auch die Villa an E. für den Taxwert von 58000 Mk. ver-
äußern und von B. Schadensersatz in Höhe von 22000 Mk. fordern. c) Anders, wenn
auch B. den Widerruf der Vollmacht nicht gekannt hat. Alsdann kann A. von ihm nicht
die Abnahme und Bezahlung der Villa mit 80000 Mk. fordern. Ebensowenig kann er Er-
stattung der 22000 Mk. verlangen, die er dadurch einbüßt, daß er die Villa statt für
80000 Mk. an C. für nur 58000 Mk. an E. verkauft hat; denn dieser Anspruch wäre nur
begründet, wenn A. befugt wäre, an dem durch den Verkauf an C. erzielten Kaufpreise
von 80000 Mk. positiv festzuhalten, und das ist hier, wo B. ebenso schuldlos ist wie A.,
nicht der Fall. Wohl aber kann er beanspruchen, daß er durch das Vertrauen auf die
Gültigkeit des Verkaufs an C. nicht schlechter gestellt wird, als wenn dieser Verkauf ganz
unterblieben wäre; er kann demgemäß verlangen, daß B. ihm die Differenz zwischen dem
von D. gebotenen und nur im Vertrauen auf die Gültigkeit des Verkaufs an C. abgelehnten
und dem später von E. gezahlten Kaufpreise, also 75000 — 58000 = 17000 Mk., erstatte.
II. Derselbe Fall wie zu lI, 2c; nur hat D. dem A. für die Villa nicht 75000, sondern
83000 Mk. geboten, so daß der Schaden, den A. durch sein Vertrauen in die Gültigkeit des
Verkaufs an C. erlitten hat, 83000 — 58000 = 25000 Mk. beträgt. Hier kann A. nicht die
Erstattung dieser vollen 25000 Mk. fordern; denn wenn der Vertrag mit C. gültig zustande
gekommen wäre, hätie A. ja nur 80000 — 58000 = 22000 Mk. verdient, und über diesen
Betrag, der das Interesse darstellt, das A. an der Gültigkeit des Verkaufs an C. hatte, geht
die Ersatzpflicht B.s nicht hinaus; die von B. zu zahlende Ersatzsumme ist also in diesem
Fall genau ebensogroß wie im Fall I, 2b, nämlich 22000 Mk.
Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht, wie sie zu c entwickelt ist, beruht
selbstverständlich nicht auf zwingendem Recht: der Vertreter kann sie also bei Abschluß des
Vertrages im voraus ablehnen. Und zwar braucht die Ablehnung nicht ausdrücklich zu ge-
schehn, sondern kann im Einzelfall schon dadurch erklärt werden, daß der Vertreter seine
Vertretungsmacht gegenüber der Gegenpartei für zweifelhaft erklärt; dagegen genügt es nicht,
wenn er der Gegenpartei einfach alles berichtet, was er selber über seine Vertretungsmacht
weiß, so daß diese über die Gültigkeit der Vertretungsmacht geradesogut urteilen kann wie er;
denn auch dann muß es nach Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Vorschriften dabei bleiben,
daß er es ist, der die Verantwortung für die Gültigkeit der Vertretungsmacht übernimmt.
— Beispiel. A. kauft dem B. namens des C. ein Pferd ab, indem er sich durch ein ihm
zugegangenes Telegramm C.8 legitimiert; nachträglich stellt sich heraus, daß das Telegramm
gefälscht war, ohne daß A. oder B. es wissen konnte. Hier ist A. dem B. ersatzpflichtig.
II. 1. Die Regeln zu I finden auch auf einseitige empfangsbedürftige
Rechtsgeschäfte, die gegenüber einem andern vorzunehmen sind, analoge An-
wendung, vorausgesetzt, daß
a) bei einseitigen Rechtsgeschäften, die der Vertreter ohne Vertretungs-
macht aktiv vorgenommen hat, die Gegenpartei die von dem Vertreter be-
hauptete Vertretungsmacht bei oder unverzüglich nach der Vornahme des
Rechtsgeschäfts 3 nicht beanstandet hat oder damit einverstanden war, daß der
Vertreter ohne Vertretungsmacht handelte (180 Satz 2);
b) bei einseitigen Rechtsgeschäften, die gegenüber dem Vertreter ohne Ver-
2) Abw. Hupka a. a. O. S. 192.
3) Siehe oben S. 35. 4) RG. 66 S. 432.