Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

300 Buch I. Abschnitt 5. Verschulden und Zufall. 
so daß die Zinsen der Forderung nicht etwa erst vom Juli, sondern schon vom April ab auf 
D. übergehn; daneben bleibt aber auch die im Mai geschehne Verpfändung der Forderung 
gültig. 
III. Verschulden und Zufall. 
I. Verschulden. 
§ 71. 
I. Der Begriff des Verschuldens (culpa im weitern Sinn) reiht 
sich gegensätzlich an den des Rechtsgeschäfts an: das Rechtsgeschäft bringt 
seine Wirkung gemäß dem Willen seines Urhebers hervor; hingegen ist das 
Verschulden ohne Rücksicht auf den Willen des Schuldigen, ja oft sogar im 
Widerspruch zu seinem Willen rechtswirksam. Ubrigens kann ein und derselbe 
Tatbestand zugleich Rechtsgeschäft und schuldhafte Handlung sein; hier werden 
dann eben Rechtswirkungen, die dem Willen der Geschäftspartei gemäß, und 
solche, die ihm vielleicht zuwider sind, miteinander verknüpft. 
Beispiel. A. verkauft und übereignet eine Sache, die ihm der Eigentümer B. zur 
Verwahrung gegeben, in bewußter Verletzung seiner Verwahrerpflichten an den redlichen C. 
Hier liegt in der Übereignung zugleich ein Rechtsgeschäft A.s gegenüber C. und eine schuld- 
hafte Rechtsverletzung gegenüber B.; jenes verschafft dem C. das Eigentum der Sache, weil 
A. es so will; diese macht den A. dem B. ersatzpflichtig, obschon A. diese Ersatzpflicht durch- 
aus nicht will. 
II. Wir unterscheiden zwei Hauptarten des Verschuldens, das vorsätzliche 
Verschulden und die Fahrlässigkeit. 
1. a) Vorsätzliches Verschulden (tdolus) liegt vor, wenn jemand 
durch eine absichtliche Handlung oder Unterlassung fremde oder eigne Inter- 
essen bewußt schädigt. Und zwar muß die Absicht des Schuldigen auf die 
Handlung oder Unterlassung als solche gerichtet sein. Nicht nötig ist dagegen, 
daß sie sich auch auf die schlimmen Folgen der Handlung oder Unterlassung 
erstrect. Vielmehr genügt es, wenn der Schuldige zur Zeit der Handlung 
oder Unterlassung diese Folgen als unausbleiblich voraussah. Dagegen genügt 
es nicht, wenn er sich nur der Wahrscheinlichkeit oder gar nur der entfernten 
Möglichkeit des Eintritts dieser Folgen bewußt war; vielmehr gilt in An- 
sehung solcher unsicherer Folgen sein Verhalten nur dann als vorsätzlich, wenn 
er gerade diese Folgen beabsichtigt hat. Doch ist all dies streitig.“ 
1) Weyl, Arch. f. BR. 14 S. 79; ders., System der Verschuldensbegriffe (05); 
v. Hippel, Grenze von Vorsatz u. Fahrlässigkeit (0O3); Meumann, Prolegomena (03); Mauczka, 
Rechtsgrund des Schadesersatzes (04); Rabel, Haftpflicht des Arztes (04); Randa, Schadens- 
ersatzpflicht, 2. Aufl. (08). 
2) Zitelmann, Grundriß S. 166 („Verschulden gegen sich selbst“). 
3) RG. 57 S. 241. Abw. RG. 56 S. 78. 
4) Siehe v. Hippel, Göttinger Festgabe für Regelsberger (01) S. 353; Weyl, Systeim 
S. 395, 399.
	        
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