Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

306 Buch I. Abschnitt 5. Verschulden und Zufall. 
wußte oder wissen mußte, daß die Handlung zwar vorgenommen werden 
durfte, aber nicht von dem Beauftragten. 
c) Er hat dem Täter befugtermaßen Auftrag zu der Handlung gegeben, 
hätte ihn aber besser anleiten, beaufsichtigen oder ausstatten sollen (sog. culpa 
in eligendo et custodiendo). 
d) Er hat dem Täter zwar nicht Auftrag zu der Handlung gegeben, aber 
die Vornahme der Handlung zugelassen, obschon er sie hätte verhindern können 
und nach Lage des Falls hätte verhindern sollen. 
Beispiele. I. Ein Fleischergesell A. bringt im Auftrage des Meisters B. den Kunden 
verdorbenes Fleisch; B. hat, als er den Auftrag gab, den Zustand des Fleisches gekannt. 
II. Der tüchtige Gehülse C. des Uhrmachers D. verdirbt die kostbare Uhr des E. durch einen 
weder von ihm selbst noch von D. verschuldeten Zufall, als er sie ausbessert: D. hatte dem 
E. ausdrücklich versprochen, die Ausbesserung persönlich ohne Gehülfen zu besorgen. III. Rechts- 
anwalt F. als Unterbevollmächtigter des Rechtsanwalts G. verliert den von H. dem G. zur 
Führung übertragenen Prozeß, weil er eine wichtige Tatsache, die H. dem G. rechtzeitig an- 
gezeigt hatte, in dem entscheidenden Termin nicht vorträgt; G. war zur Erteilung der Unter- 
vollmacht an F. befugt, hat aber vergessen, jene Tatsache dem F. mitzuteilen. IV. Ein 
Knabe J. gerät mit einem andern als Besuch eingeladenen Knaben K. in Streit und schlägt 
ihm ein Auge aus; die mit der Aufsicht über die Kinder beauftragte Erzieherin des J. hätte 
die Schlägerei verhindern können; sie war aber so in einen Roman vertieft, daß sie den 
Streit gar nicht wahrgenommen hat. 
2. Der zweite Grund ist der, daß der „andre“ zu dem Täter in be- 
sonders naher Beziehung steht. Um dieser Beziehung willen muß er es in 
gewissen Fällen dulden, daß ihm die Handlungen des Täters zugerechnet 
werden wie seine eignen, mag er sich auch für seine Person ganz untätig ver- 
halten haben, und daß ihm demgemäß auch die Schuld des Täters als eigne 
Schuld zugerechnet wird, mag er für seine Person noch so schuldlos sein. Die 
wichtigsten dieser Fälle sind — wenn wir zunächst von der Haftung der 
juristischen Personen für die Verschuldungen ihrer Organe absehn — die 
folgenden. 
a) Bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts durch oder gegenüber einem 
Vertreter wird dem Vertretenen, sofern das Rechtsgeschäft überhaupt für oder 
gegen ihn wirksam ist, die Kenntnis, das Kennenmüssen und also auch wohl 
die Arglist des Vertreters wie eigne Kenntnis, eignes Kennenmüssen, eigne 
Arglist zugerechnet (166 und oben S. 290, 291). 
Beispiele. A. hat dem B. namens des C. eine Ware zum Kauf angeboten und ihn 
dadurch, daß er ihm gewisse Mängel der Ware arglistig verschwieg, zum Kauf bestimmt; C. 
hat dem A. zum Verkauf der Ware Vollmacht gegeben, hat dagegen an A.8s Arglist keinen 
Anteil, da er von den Mängeln der Ware nichts gewußt hat. Hier kann B. trotz des guten 
Glaubens des C. den Kauf wegen Betruges anfechten (123) 11; er kann von C. Schadensersatz 
wegen Nichterfüllung fordern (463) 12; seine Wandlungs= und Preisminderungsansprüche 
gegen C. sind der abgekürzten Verjährung entzogen (477 1) usw. 
Bezüglich der Hastung des Verkäufers für die Arglist des Vertreters sei noch folgendes 
bemerkt. Entweder muß man annehmen, daß der Vertreter mit seiner Arglist im Rahmen 
seiner Vertretungsmacht geblieben oder daß er damit seine Vertretungsmacht überschritten 
1) R. 61 S. 207. 12) Abw. RG. 61 S. 207.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.