§ 74. Bereich der Verjährung. 315
Übel; die Verjährung nötigt aber den Berechtigten, die Klarstellung seiner
Ansprüche zu beschleunigen. Beide Erwägungen zusammen rechtfertigen nicht
bloß die Verjährung überhaupt, sondern sprechen insbesondre für möglichste
Kürze der Verjährungsfristen. Sie rechtfertigen auch die Regel, daß die Par-
teien nicht im voraus auf die Verjährung ganz verzichten oder die Ver-
jährung auch nur, etwa durch vertragsmäßige Verlängerung der Verjährungs-
fristen, erschweren dürfen, während ihnen eine Erleichterung der Verjährung,
etwa durch vertragsmäßige Verkürzung der Verjährungsfristen, unbenommen
ist (225; Ausnahmen 477 1 Satz 2, 490 I, 638 II usw.).
II. 1. Die Verjährung trifft die Rechte nur insoweit, als sie Ansprüche
sind (s. oben S. 58, 59). Soweit ein Recht Bestimmungs= oder Vertrauens-
macht ist, unterliegt es einer Verjährung nicht (194 I).
Beispiele. I. Keine Verjährung beim Anfechtungs-, Rücktritts-, Aufrechnungs-, Zurück-
behaltungsrecht oder beim Recht zum Pfandverkauf! Denn diese Rechte sind keine Ansprüche.
Eine andre Frage ist, ob, wennschon das Aufrechnungs= und Zurückbehaltungsrecht und
das Recht des Pfandverkaufs selber keiner Verjährung unterliegt, mit verjährten Ansprüchen
aufgerechnet oder eine Sache wegen verjährter Ansprüche zurückbehalten oder ein Pfand wegen
verjährter Ansprüche verkauft werden darf; hierüber s. unten 326„, 330°, 330, 2b.
II. Keine Verjährung bei dinglichen Rechten, solange sie nicht verletzt sind! Denn diese
Rechte enthalten Ansprüche erst, wenn ihnen jemand zuwiderhandelt. III. Wohl aber Ver-
jährung (vorbehaltlich der Ausnahmen unten zu 2) bei allen Forderungsrechten! Denn
diese Rechte enthalten stets Ansprüche.
2. Auch soweit die Rechte Ansprüche sind, werden sie von der Verjährung
nicht ausnahmslos getroffen. Unverjährbar sind vielmehr:
a) Ansprüche aus familienrechtlichen Verhältnissen insoweit, als sie auf
die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft
gerichtet sind (194 Il);
b) Ansprüche aus Rechten, die im Grundbuch eingetragen sind, es sei
denn, daß sie auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadens-
ersatz gehn (902);
c) der Anspruch auf Zustimmung zu einer Grundbuchberichtigung (898);
) gewisse nachbarrechtliche Ansprüche (924);
e) der Anspruch auf Aufhebung einer Gemeinschaft (758).
Beispiel. Frau A. hat sich gleich nach Eingehung der Ehe mit ihrem Mann entzweit
und ist von ihm verstoßen worden; seitdem sind fünfzig Jahre verflossen, ohne daß sich die
Gatten umeinander bekümmert haben. Hier kann die A. das Fest ihrer goldnen Hoch-
zeit damit begehn, daß sie von ihrem Mann verlangt, er solle sie nunmehr wieder bei
sich aufnehmen und ihr fortab standesmäßigen Unterhalt gewähren; denn dieser Anspruch
ist unverjährbar. Dagegen würde die A. mit dem Anspruch, daß ihr Mann ihr auch den
Unterhalt für die verflossenen fünfzig Jahre nachträglich gewähre, nicht durchdringen;
denn dieser auf die Vergangenheit gerichtete Anspruch ist zum weitaus größten Teil
verjährt.