Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

74b. Beginn der Verjährung. 319 
)) Beginn der Verjährungsfrist. 
8 74b. 
I. 1. a) Die Verjährung eines Anspruchs beginnt grundsätzlich nicht, 
bevor der Anspruch entstanden ist. 
a) Demgemäß beginnt bei Ansprüchen aus aufschiebend bedingten oder 
aufschiebend befristeten Rechten die Verjährung der Regel nach nicht eher, als 
bis die Bedingung eingetreten oder die Frist abgelaufen ist. Denn solange 
die Bedingung schwebt oder die Frist läuft, sind — wenn man von dem An- 
spruch auf Sicherheitsleistung absieht — Ansprüche aus dem Recht noch nicht 
entstanden (s. oben S. 239). 
6) Demgemäß beginnt bei dem Eigentum und ähnlichen Rechten, denen 
nacheinander eine Mehrheit von Ansprüchen entspringen kann, die Verjährung 
für jeden dieser Ansprüche an einem andern Tage. 
Beispiele. I. A. hat am 1. Mai 08 sein Haus dem B. unter der Bedingung ver- 
kauft, daß es ihm binnen sechs Monaten gelingen würde, ein andres Haus zu erwerben; 
er erwirbt ein andres Haus am 1. September 08. Hier beginnt für den Anspruch A.s auf 
den Kaufspreis für sein Haus die Verjährung frühestens am 1. September 08. II C. hat 
08 durch Testament eine Stiftung errichtet und ihr auf den Fall seines Todes 100000 Mk. 
zugewendet; er stirbt am 1. April 48. Hier beginnt für den Anspruch der Stiftung auf 
die Zuwendung die Verjährung frühestens am 1. April 48. III. D. hat am 1. Mai 05 
und am 1. Mai 08 eine Grenzverletzung gegenüber seinem Nachbar E. begangen. Hier be- 
ginnt die Verjährung für den Anspruch E.s gegen D. aus der ersten drei Jahre früher 
als für den Anspruch E.s gegen D. aus der zweiten Grenzverletzung. 
b) Ausnahmen. 
a) Bei Ansprüchen, die erst entstehn, wenn der Berechtigte irgendein 
Rechtsgeschäft anficht, beginnt die Verjährung nicht erst, wenn der Berechtigte 
die Anfechtung wirklich erklärt und damit den Anspruch zur Entstehung bringt, 
sondern schon dann, wenn er zur Erklärung der Anfechtung befugt ist. Eine 
Ausnahme von dieser Ausnahme gilt, wenn die Anfechtung sich auf ein 
familienrechtliches Verhältnis bezieht (200). 
Beispiele. I. A. ist durch einen Betrug B.s bestimmt worden, ihm am 1. Mai 08 
1000 Mk. zu schenken; Ende 12 erfährt er den Betrug: am 1. Febr. 13 sicht er die Schen- 
kung an. Hier ist der Anspruch A.s auf Rückgewähr der 1000 Mk. erst am 1. Febr. 13 
entstanden; trotzdem hat die Verjährung des Anspruchs schon am 1. Mai 08 begonnen. 
II. C. hat die D. durch einen Betiug bestimmt, ihn am 1. Mai 08 zu heiraten und hat 
noch am selben Tage das ganze Vermögen der D. in Besitz genommen; Ende 12 erfährt 
die D. den Betrug; am 1. Febr. 13 sicht sie die Ehe im Wege der Klage am; am 1. Febr. 
14 wird das Urteil, das die Ehe auf Grund dieser Klage für nichtig erklärt, rechtskräftig. 
Hier entsteht der Anspruch der D. auf Rückgabe ihres Vermögens am 1. Febr. 14 (s. 1343 
11), und auch die Verjährung dieses Anspruchs beginnt erst mit diesem Tage. Eine Rück- 
beziehung der Verjährung findet hier, wo die Anfechtung ein familienrechtliches Verhältnis 
betrifft, nicht statt. 
Es liegt sehr nahe die Ausnahmeregel zu a analog in allen Fällen anzuwenden, in 
1) Siehe auch unten den Schlußabsatz von ba.
	        
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