Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

16 Einleitung. 
deutscher Übersetzung (Badisches Landrecht von 1809), in den übrigen Gebieten unverändert 
in ihrem französischen Text eingeführt. — Die Rezeption des französischen Rechts ist un- 
bedingt günstiger zu beurteilen als die des römischen Rechts. Erstlich bedeutete sie in der 
Hauptsache nur, daß ein fremdes Recht das andre fremde Recht verdrängte. Zweitens war 
das französische Recht, wenn schon ein fremdes, so doch ein modernes, stand also den Deutschen 
des 19. Jahrh. viel näher als einst Justinians Recht den Deutschen des 15. und 16. Jahrh. 
gestanden hatte. Endlich war das französische Recht inhaltlich vielfach gar nicht ein fremdes, 
sondern nur ein in der Fremde weiter entwickeltes fränkisches, also deutsches Recht. 
Die deutschen Rechtsgebiete deutscher, lateinischer und französischer Zunge gestalteten sich 
gegen Ende des 19. Jahrh. im großen und ganzen wie folgt: 
A. Gebiete deutscher Zunge mit etwa 27 Millionen Einwohnern. 
a) Das Gebiet des preußischen Landrechts. 
a) Von Preußen: die Provinzen Ost= und Westpreußen, Posen, Brandenburg, Schlesien, 
Sachsen, Westfalen, die Regierungsbezirke Stettin und Köslin, Ostfriesland und einige 
andre hannoversche Landesteile, das rechtsrheinische Gebiet der Rheinprovinz von Duisburg 
und Essen nach Norden. 
*) Von Bayern: Ansbach und Bayreuth. 
b) Das Gebiet des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs, nämlich das Königreich Sachsen. 
c) Das Gebiet des badischen Landrechts, nämlich Baden. 
B. Gebiete lateinischer Zunge mit etwa 16 Millionen Einwohnern. 
àa) Von Preußen: der Regierungsbezirk Stralsund, Schleswig-Holstein (außer einigen 
zersplitterten Gebieten, namentlich dänischen Rechts), Hannover außer den landrechtlichen Ge- 
bieten, ganz Hessen-Nassau, der rechtsrheinische Teil des Regierungsbezirkes Koblenz, Hohen- 
zollern. 
b) Das rechtsrheinische Bayern außer Ansbach und Bayreuth. 
c) Ganz Württemberg. 
d) Das rechtsrheinische Hessen-Darmstadt — beide Mecklenburg — das rechtsrheinische 
Oldenburg — Thüringen und Anhalt — Braunschweig — beide Lippe — die drei 
Hansestädte. 
C. Gebiete französischer Zunge mit etwa 7 Millionen Einwohnern. 
a) Von der preuß. Rheinprovinz die linksrheinischen Gebiete, sowie rechts vom Rhein 
alles, was zum Reg.-Bez. Köln und südlich von Duisburg und Essen zum Reg.-Bez. 
Düsseldorf gehört. 
b) Von Bayern, Hessen-Darmstadt und Oldenburg die linksrheinischen Gebiete. 
) Elsaß-Lothringen. 
2. Inhaltlich sind in dieser Periode große Verluste an einheimischem 
Rechtsstoff zu verzeichnen; denn eine Menge altdeutscher Rechtsinstitute, die 
sich noch bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein mit Zähigkeit gegenüber 
dem römischen Recht behauptet hatten, kamen nunmehr ins Weichen: aus 
mittelalterlichen Verhältnissen erwachsen, paßten sie zu dem sich schnell ent- 
wickelnden modernen Wirtschaftsleben so wenig, daß sie, bald mit raschem 
Entschluß, bald in langsamer Ubung, außer Anwendung gesetzt oder doch auf 
ein sehr kleines Anwendungsgebiet beschränkt wurden; erst sehr viel später hat 
man sich gefragt, ob man jene Institute des Mittelalters, statt sie gänzlich 
aufzuheben, nicht lieber hätte reformieren und modernisieren sollen. Es fand 
sich aber für diesen Verlust reicher Ersatz. Alle neueren Gesetzbücher suchten 
sich nämlich, mit alleiniger Ausnahme des sächsischen, vom Einfluß des Fremd- 
rechts zu emanzipieren. Demgemäß enthielt nur ein Teil ihrer Regeln eine 
Ubersetzung römischer Rechtssätze ins deutsche; der Uberrest dagegen griff ent- 
weder auf altdentsche Rechtsgrundsätze zurück oder enthielt ein vom römischen
	        
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