Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

326 Buch I. Abschnitt 5. Zeitablauf. 
#) Wirkung der Verjährung. 
§ 74. 
I. Da die Verjährung ihrem Begriff gemäß sich nur auf „Ansprüche“ be- 
zieht, besteht auch ihre Rechtswirkung grundsätzlich nur darin, daß sie den von 
der Verjährung betroffenen Anspruch als solchen abschwächt. Und zwar ge- 
schieht dies dadurch, daß der Verpflichtete durch die Verjährung des Anspruchs 
das Gegenrecht gewinnt, die Leistung, zu der der Anspruch ihn verpflichtet, 
zu verweigern (222 1). Dies Gegenrecht wird Einrede (Replik, Duplik) der 
Verjährung genannt (s. oben S. 67). 
1. a) Die Einrede der Verjährung reicht grundsätzlich nicht weiter als die 
Verjährung selbst. Sie trifft also einen Anspruch nur, wenn und insoweit 
die Verjährung seinetwegen wirklich abgelaufen ist. Demnach kann es geschehn, 
daß sie von einem teilbaren Anspruch nur einen Teil entkräftet, während der 
Überrest seine volle Kraft unverjährt behält. Ebenso ist es möglich, daß sie 
von mehreren miteinander verbundenen Ansprüchen den einen Anspruch ganz 
ergreift, den andern ganz verschont. 
Beispiele. I. A. hat dem B. und dem C. als Gesamtschuldnern ein Darlehn von 
1000 Mk. gegeben; sein Anspruch auf Rückzahlung ist Ende 01 fällig; gegen B. hat A. einen 
Teilbetrag von 300 Mk. eingeklagt. Hier ist Ende 31 A.s Anspruch gegen B. in 
Höhe von 700 Mk., gegen C. ganz verjährt. II. D. hat gegen E. eine Forderung auf 
eine Jahresrente von 200 Mk. Hier verjährt der Anspruch auf jede einzelne Rente in 
vier Jahren seit dem Schluß des Jahrs, in dem sie fällig wird (oben S. 317, 321). Da- 
gegen verjährt das Rentenrecht als Ganzes überhaupt nicht ? 
b) Ausnahmen. · 
a)JsteinHauptanspruch,vondemAnsprücheanNebenleistungen 
(Zinsen, Kosten usw.) abhängen, verjährt, so ergreift die Einrede der Ver- 
jährung auch alle Nebenansprüche (224). 
5) Ist der Anspruch gegen den Hauptschuldner verjährt, so ergreift die 
Einrede der Verjährung auch den Anspruch gegen den Bürgen (768). 
7) Ist ein obligatorischer Anspruch, für den eine Hypothek oder ein andres 
Pfandrecht besteht, verjährt, so ist zu unterscheiden: 
aa) Im allgemeinen verbleibt es hier bei der Regel zu a;z die Einrede 
der Verjährung des obligatorischen Anspruchs ergreift also nur diesen An- 
spruch selbst, läßt dagegen die dinglichen Ansprüche aus dem Pfandrecht un- 
berührt (223 1). 
88) Eine Ausnahme gilt aber insoweit, als sich die Ansprüche aus dem 
Pfandrecht aus Rückstände von Zinsen oder andern wiederkehrenden Leistungen 
beziehn: ist der obligatorische Anspruch auf derartige Rückstände verjährt, so er- 
greift die Einrede der Verjährung auch die auf diese Rückstände bezüglichen 
dinglichen Ansprüche aus dem Pfandrecht (223 III). 
1) RG. 60 S. 387, 65 S. 398, 66 S. 366. 2) Jourdan a. a. O. S. 239.
	        
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