Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 744. Wirkung der Verjährung. Einrede. 327 
) Ist ein Anspruch auf eine Unterlassung verjährt, so ist gleichfalls zu 
unterscheiden: 
ga) Wird der Anspruch durch einzelne vorübergehende Zuwiderhandlungen 
verletzt, so verbleibt es bei der Regel zu a: die Einrede der Verjährung eines 
auf eine einzelne derartige Zuwiderhandlung bezüglichen Anspruchs ergreift 
also nur diesen einen Anspruch, läßt dagegen die Ansprüche wegen aller andern 
früher oder später verübten Zuwiderhandlungen unberührt. 
66) Wird der Anspruch durch Herbeiführung und Unterhaltung eines 
dauernden Zustandes verletzt, so erleidet die Regel zu a eine Ausnahme: hier 
ergreift die Einrede der Verjährung des Anspruchs, der sich auf die erstmalige 
Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes bezieht, auch den Anspruch, der 
auf die Unterhaltung eben dieses Zustandes Bezug hat.3 
Beispiele. I. A. hat von B. aus einem Darlehn 1000 Mk. mit 4% Zinsen seit dem 
1. Januar 00 zu fordern; der Anspruch auf das Kapital ist seit 1. Januar 02 fällig, ohne 
daß A. ihn bis 33 gehörig geltend gemacht hat. Hier sind die Zinsen für die Zeit von 00 
bis 27 seit Ende 04 Jahr für Jahr der Reihe nach verjährt. Dagegen ist für alle späteren 
Zinsen die Verjährung auf einmal am 31. Dezember 31 eingetreten. II. Derselbe Fall; nur 
hat sich 09 C. für die Schuld des B. verbürgt. Hier ist auch der Anspruch des A. gegen 
C. am 31. Dezember 31 verjährt. III. Derselbe Fall: nur hat B. dem A. bei Empfang des 
Darlehns einen Schmuck als Pfand gegeben. Hier kann A. sich noch im Jahr 40 an das 
Pfand halten, d. h. er kann das Pfand versteigern lassen und sich aus dem Erlöse, soweit 
er reicht, befriedigen, jedoch nur wegen des Kapitals und der nach Schluß von 35 fällig ge- 
wordenen Zinsen. IV. 1. D. hat seinem Nachbar E. 06 für die ganze Zeit ihrer Nachbar- 
schaft versprochen, das einzige Fenster seines Hauses, das nach dem Garten des E. sieht, 
nie zu öffnen. Hier verjährt der Anspruch auf Unterlassung dieser Störung für jeden Fall 
des Fensteröffnens getrennt; wenn also D. tatsächlich vierzig Jahre lang alljährlich das 
Fenster mehrfach geöffnet und E. sich stets mit außergerichtlichen Protesten hiewider begnügt 
hat, ist der Anspruch E.s, schließlich doch auf Unterlassung des Fensteröffnens zu klagen, 
noch im Jahr 46 nicht verjährt. 2. F. hat dem G. in M. 02 versprochen, solange G.S 
Fabrik in Betrieb sein werde, eine Konkurrenzfabrik in M. und Umgegend nicht zu be- 
treiben; tatsächlich hat er aber eine solche Fabrik doch errichtet und betreibt sie seit O06 un- 
unterbrochen. Hier verjährt G.S Anspruch auf Unterlassung dieses Betriebes 36, obschon F. 
den Anspruch nicht nur 06, sondern auch in jedem folgenden Jahr tagtäglich von neuem 
verletzt hat. 
2. Die Einrede der Verjährung wirkt nur, wenn und solange sie von dem 
Anspruchsschuldner geltend gemacht wird, sei es im Prozeß, sei es außer- 
gerichtlich.“ Davon daß das Gericht die Einrede auch ohne oder gar gegen 
den Willen des Schuldners berücksichtigen müßte oder dürfte, ist also keine Rede. 
Beispiele. I. 1. A. hat gegen B. aus einem Anspruch, von dem er selbst ausdrücklich 
einräumt, daß er verjährt sei, geklagt: B. übergeht aber die Frage der Verjährung mit Still- 
schweigen. Hier muß das Gericht den B. verurteilen, wenn A.# Anspruch im übrigen 
begründet ist, ohne die zu gunsten B.s unstreitig abgelaufene Verjährung zu beachten. 
2. Derselbe Fall; nur erhebt B. die Einrede der Verjährung in der Revisionsinstanz. Hier 
darf das Revisionsgericht die Einrede nicht berücksichtigen; denn es hat nur zu prüfen, 
ob die Vorinstanzen die Gesetze verletzt haben (8PO. 549); das ist aber nicht der Fall; denn 
  
3) Langheineken a. a. O. S. 256; Ortmann, Anm. 27) zu § 198; abw. Lehmann, 
Unterlassungspflicht (06) S. 322, 3242. 
4) Sahm, Jahrb. f. Dogm. 49 S. 59. Abw. Biermann 1 S. 369
	        
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