§ 744. Wirkung der Verjährung. Einrede. 329
Übrigens ist das Anerkenntnis, das eine noch im Lauf befindliche Verjährung unter-
bricht, und das Anerkenntnis, das eine bereits abgelaufene Verjährung unschädlich macht,
zwiesach verschieden: I. jenes kann einseitig, dieses muß vertragsmäßig geschehn; II. jenes
ist formfrei, dieses bedarf regelmäßig der Schriftlichkeit (781).5
5. Die Einrede der Verjährung kommt dem Verpflichteten auch dann zu,
wenn er während des ganzen Laufs der Verjährung den verjährten Anspruch
gekannt, und sogar dann, wenn er eine Unterbrechung der Verjährung arglistig
gehindert hat.“' Doch kann er im letztern Fall dem Berechtigten schadens-
ersatzpflichtig sein.
Beispiel. A. hat gegen B. einen der zweijährigen Verjährung unterliegenden Anspruch;
die Verjährung läuft am 31. Dezember 06 ab; A. will sie durch Klagerhebung unterbrechen;
B. bewirkt aber durch einen arglistigen Kunstgriff, daß die Klage ihm erst am 2. Januar 07
zugestellt wird. Hier ist der ursprüngliche Anspruch A.s# verjährt; an dessen Stelle tritt aber
ein Schadensersatzanspruch aus Delikt, und dieser Anspruch verjährt erst in drei Jahren,
nachdem A. die Arglist B.s erfahren hat.
Daß ich dem Berechtigten gegen die Einrede der Verjährung den Einwand oder die
Replik der Arglist verweigere und ihn auf einen Schadensersatzanspruch beschränke, sieht ge-
künstelt aus, ist aber dadurch gerechtfertigt, daß man sonst den Anspruch des Klägers ganz
unverjährbar macht. Und doch muß der Anspruch auch einem arglistigen Gegner gegen-
über irgend einmal verjähren.
II. 1. Abgesehn davon, daß der von der Verjährung betroffene Anspruch
durch die Einrede der Verjährung abgeschwächt wird, erleidet das Recht, zu
dem der verjährte Anspruch gehört, durch die Verjährung keine Einbuße.
a) Demgemäß kann der Berechtigte der Verjährung ungeachtet über das
Recht gültig verfügen.
b) Demgemäß kann er der Verjährung ungeachtet kraft des Rechts neue
Ansprüche gewinnen, denen die Verjährung des alten Anspruchs keinen Ab-
bruch tut.
c) Demgemäß kann er der Verjährung ungeachtet das Recht in jeder
Art, in der keine Geltendmachung des verjährten Anspruchs als solchen liegt,
verwenden und sich insbesondre damit gegen Angriffe andrer Personen ver-
teidigen.
Beispiele. I. 1. A. hat dem B. vor vierzig Jahren in seiner Studentenzeit ein Buch
geliehn, aber vergessen, es zurückzufordern; sein Anspruch auf Rückgabe des Buchs gegen
B. ist also verjährt. Hier ist A. trotzdem Eigentümer des Buchs geblieben. Freilich hat
sein Eigentum fürs erste keinen praktischen Wert; denn, daß er über das Eigentum nach
wie vor zu verfügen imstande ist, daß ihm aus dem Eigentum neue Ansprüche erwachsen
können usw., hat tatsächlich in der übergroßen Mehrzahl der Fälle nicht die mindeste Be-
deutung; sein Eigentum ist also ein Schattenrecht ohne realen Inhalt. 2. Nun nehme man
aber an, daß B. das Buch verliert und daß C. es findet und an A., dessen Name noch auf
dem Titelblatt steht, abliefert. Hier steht das Eigentum des A. wieder in voller Kraft da;
insbesondre kann A., der noch eben durch die Verjährung behindert war, gegen B. kraft
seines Eigentums auf Herausgabe des Buchs zu klagen, nunmehr, wenn B. ihn seinerseits
auf Herausgabe des Buchs verklagen sollte, kraft seines Eigentums ohne jede Rücksicht auf
6) Schneider, Jahrb. f. Dogm. 51 S. 25.
7) Abw. R. 57 S. 376, 60 S. 392, 64 S. 222.
8) Siehe R. 64 S. 222.