336 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. Verschulden. Zufall. Verjährung.
ist unsicher. Dagegen ist für die Zeit nach der Rezeption die Ungültigkeit der-
artiger Geschäfte unter bestimmten Voraussetzungen allgemein anerkannt. Indes
war die Art dieser Ungültigkeit bestritten und auch über ihre Voraussetzungen
war man keineswegs einig. Es läßt sich deshalb kaum feststellen, inwieweit
das bisherige Recht etwa in der Behandlung des Irrtums mit den Vor-
schriften des bürgerlichen Gesetzbuchs übereinstimmte; nur das ist sicher, daß
es die Partei, deren Simulation oder Irrtum ein Rechtsgeschäft zu Fall brachte,
milder behandelte als das bürgerliche Gesetzbuch: es legte ihr nämlich eine
Schadensersatzpflicht nur auf, wenn ihr ein Verschulden zur Last fiel.15
11. Die Stellvertretung bei der Vornahme von Rechtsgeschäften durch
Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter ist bereits im mittelalterlichen Recht
zugelassen worden.? Hierbei ist es auch nach der Rezeption verblieben, ob-
schon das römische Recht die Zulässigkeit der Stellvertretung durch Bevoll-
mächtigte nur beschränkt anerkannt hatte.
Abweichungen im einzelnen: I. Nach preußischem Recht war nur eine schriftliche
Vollmacht für den Vollmachtgeber verbindlich.' Eine Reihe von Rechtsgeschäften durfte ein
Bevollmächtigter nur vornehmen, wenn seine Vollmacht speziell auf diese Geschäfte gerichtet
war.31 II. Nach sächsischem Recht konnte ein Beauftragter, der im Namen des Auftrag-
gebers ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hatte, persönlich auf dessen Erfüllung belangt werden,
wenn der Auftraggeber ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt hatte. III. Ob
ein Stellvertreter mit sich selbst kontrahieren konnte, war streitig.?. IV. Siehe auch unten
bei Anm. 26.
12. Regeln über die Zustimmung zu Rechtsgeschäften waren in der Allgemeinheit, wie
sie sich im BGB. finden, dem bisherigen Rechte nicht bekannt.
II. 1. a) Die Regel, daß man im Rechtsleben nicht bloß für sein Ver-
schulden, sondern auch für „innere“ Zufälle einzustehn hat, war im mittel-
alterlichen Recht keine seltene Ausnahme, wie nach dem bürgerlichen Gesetzbuch,
sondern hatte, wie es scheint, allgemeine Geltung.?" Freilich sagen die mittel-
alterlichen Gesetze und Rechtsbücher oft genug, daß jemand für ein „Unglück“,
an dem er keine Schuld trage, nicht haftbar sei; allein sie denken dabei immer
nur an ein Unglück, das, vom Standpunkt des Haftpflichtigen betrachtet, als
ein „äußerer“ Zufall erscheint.
b) Dementgegen wird seit der Rezeption eine Haftung für innere Zufälle
nur in gewissen Ausnahmefällen anerkannt, nämlich 25: I. wie nach jetzigem
Recht in Ansehung der Gastwirte, der Eisenbahnen, der Post; II. über das
jetzige Recht hinausgehend in Ansehung der gewöhnlichen Landfrachtführer und
Verfrachter. Die für diese Fälle geltenden Sonderregeln sind für die Gast-
18) Abw. Enneccerus 1 S. 370 t#. 19) Heusler 1 S. 203, 2 S. 502.
20) Pr. LRI, 1388. 21) Pr. LR. I, 13 §§ 98 ff.
22) Sächs. GB. 1318.
23) Rümelin, Selbstkontrahieren des Stellvertreters (88).
24) Vgl. Heusler 1 S. 62, 2 S. 262.
25) Windscheid-Kipp § 384; älteres HGB. 395, 607; Reichspostges. v. 28. 10. 71 8§ 6,
11; Reichshaftpflichtges. v. 7. 6. 71 § 1 usw.; pr. LR. II, 8 § 447; sächs. GB. 1285.