Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

Sechster Abschnitt. 
Ausübung und Sicherstellung der Rechte. 
I. Allgemeines. 
877. 
I. Die Ausübung eines Rechts steht regelmäßig im freien Belieben des 
Berechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters. Doch gibt es auch Rechte, die 
mit einer Pflicht zur Ausübung des Rechts verbunden sind. 
Beispiele. I. Ein Darlehnsgläubiger kann seine Rechte gegen seinen Darlehnsschuldner 
nach Gutdünken unausgeübt lassen. übt er sie nicht aus, so ist das schlimmste, was ihm 
widerfahren kann, daß der Darlehnsschuldner die Darlehnssumme hinterlegt (372) oder daß 
sein Anspruch gegen ihn verjährt (194). II. Ein Vater kann seine väterlichen Rechte gegen 
seine minderjährigen Kinder nicht beliebig unausgeübt lassen. Übt er sie nicht aus, so kann 
es geschehn, daß er den Kindern und dritten Personen schadensersatzpflichtig wird (1627, 832). 
II. Der Berechtigte ist (von einzelnen Ausnahmen 112, 809, 905 usw.)] 
abgesehn) befugt, sein Recht auch dann auszuüben, wenn es ihm keinen Nutzen 
gewährt, aus bloßer Rechthaberei. 
1. Doch ist es dem Berechtigten untersagt, sein Recht in einer Weise aus- 
zuüben, die nur den Zweck haben kann (), einen andern zu schädigen (sog. 
Schikaneverbot (226)).1 
Beispiele. I. Der Restaurateur A. ist mit seinem Nachbar B. verfeindet; aus reiner 
Bosheit verbietet er deshalb nicht bloß dem B., sondern auch dessen Leuten, seine Wirtschaft 
zu betreten, und bewirkt dadurch, daß B. keine Dienstboten und Arbeiter mehr bekommt, 
weil weit und breit kein andres Wirtshaus ist; ferner fällt er einen schönen Baum in seinem 
Garten, nur weil er weiß, daß B. Freude an dem Baum hati; endlich errichtet er an der 
Grenze gegen B. eine hohe Mauer, die keinen Nutzen für ihn hat, aber dem B. zu dessen 
Kummer die Aussicht auf die nahen Wiesen nimmt. Hier ist B. auf Grund des Schikane- 
verbots nicht befugt, gegen die beiden ersten Schikanen A.s einzuschreiten; freilich sind sie 
nur in der Absicht vorgenommen, den B. zu schädigen; das genügt aber für das Schikane- 
verbot nicht; denn daß A. mit den beiden ersten Schikanen auch einen andern Zweck verfolgt 
haben „kann“ als den einer Schädigung B.s, läßt sich nicht bestreiten; er „kann“ z. B. von 
einem Besuch der Leute des B. in seiner Wirtschaft Klatschereien befürchtet haben; der Baum 
„kann“ ihm ärgerlich gewesen sein usw. Dagegen ist B. berechtigt, auf Grund des Schikane- 
1) Blümner, böswilliger Rechtsmißbrauch (00); Ramdohr bei Gruchot 46 S. 577, 806. 
2) Siehe RG. 54 S. 434.
	        
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