§ 77. Rechtsausübung. Schikaneverbot. Sicherstellung. 343
4 über die Einzelheiten siehe die genauen Vorschriften in BGB. 232—239. Hervor-
gehoben sei, daß Wertpapiere, Grundstücke und Forderungen zur Sicherheitsleistung nur
so weit verwendet werden können, als sie zur Anlegung von Mündelgeld tauglich sind, sowie
daß Wertpapiere und Forderungen, die im Reichs= oder einem Staatsschuldbuch eingetragen
sind, nur in Höhe von ¾ des Kurswerts, bewegliche Sachen nur in Höhe von ⅜ des
Schäpungswerts als sicher gelten.
2. Neben der Sicherheitsleistung, die ein Schuldner dem Berechtigten auf
dessen Verlangen leisten muß, gibt es auch eine Sicherheitsleistung, die der
Gläubiger — sei es eigenmächtig, sei es unter Mitwirkung von Behörden —
sich selber nimmt, sowie eine Sicherheitsleistung, die ein Schuldner seinem
Gläubiger aus freien Stücken anbietet, um ihn von der Ausübung eines andern
für den Schuldner besonders lästigen Rechts abzuhalten. Hier gelten die
Regeln zu 1 nur mit erheblichen Abweichungen.
Beispiele. I. Der Berechtigte kann sich eine Sicherung eigenmächtig nehmen im Fall
der Selbsthülfe (229); unter Mitwirkung einer Behörde kann er sie sich nehmen, wenn ihm
eine vollstreckkbare Geldforderung auf einen Betrag von mehr als 300 Mk. zusteht und sein
Schuldner Grundstückseigentümer ist (38##O 866). Dort besteht die Sicherung z. B. darin,
daß der Gläubiger dem Schuldner eine Fahrnissache wegnimmt, hier darin, daß er zu
seinen Gunsten eine Sicherungshypothek auf den Grundstücken des Schuldners im Grundbuch
eintragen läßt. II. Eine Sicherheitsleistung, die der Schuldner aus freien Stücken an-
bietet, kommt vor, um die Ausübung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner zustehenden
Zurückbehaltungsrechts abzuwenden (273 III).
II. Eigenmächtige Rechtsausübung.“
g 78.
I. Die eigenmächtige Ausübung eines Rechts durch den Rechtsinhaber ist
selbstverständlich an und für sich unverboten und bildet sogar bei vielen Rechten,
namentlich beim Eigentum und den Dienstbarkeiten, tatsächlich die Regel. Nur
ist ihr eine Grenze dahin gesetzt, daß der Berechtigte bei der Ausübung des
Rechts keine Gewalt gegen andre Personen anwenden und auch nicht in
fremden Besitz eingreifen darf. Doch gibt es eine Reihe von Fällen, in denen
der Berechtigte auch diese Grenze überschreiten darf.
1. Der erste Fall ist der der Notwehr. Er setzt voraus, daß der Be-
rechtigte von einem Unbefugten rechtswidrig angegriffen wird. Alsdann ist
jede Verteidigungsmaßregel gestattet, die zur Abwehr erforderlich ist (227).
a) Die Notwehr setzt einen „Angriff“ des Gegners voraus, sei es gegen
die Person des Berechtigten, sei es gegen seine Güter. Es genügt also nicht,
daß der Gegner, der sich im Besitz einer dem Berechtigten gehörigen Sache be-
1) v. Liszt, bei B. u. F. Heft 5 (89); ders., Deliktsobligationen (98); Merkel, Kollision
rechtmäßiger Interessen (95); Titze, Notstandsrechte (Diss. 97); Löffler, Zisch. f. Strafrechts-
wiss. 21 S. 1; Heyer, Arch. f. BR. 19 S. 38; Otker bei B. u. B. 1 S. 237; ders. Not-
wehr u. Notstand (03); Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit (seit 03).