8 7. Entstehung des BGB.s. 19
Lesung — verbrachten, worauf dann die endgültige Feststellung des Gesetzbuchs
durch Bundesrat und Reichstag in der verhältnismäßig kurzen Zeit von drei-
viertel Jahren erfolgt ist. 1896 war das Werk vollendet; noch im letzten
Jahr des neunzehnten Jahrhunderts, am 1. Januar 1900, ist es in Kraft
getreten.
a) Zunächst wurde anfangs 1874 eine Vorkommission eingesetzt, um einen Plan für
die Ausarbeitung des BGB. 8 festzustellen.
b) Im September 1874 trat alsdann die vom Bundesrat erwählte erste Kommission
zur Ausarbeitung des BGB.8s in Berlin zusammen; ihr Vorsitzender war der preußische
Jurist Pape, damals Präsident des Reichsoberhandelsgerichts; von ihren übrigen Mitgliedern
seien nur die Praktiker Gebhard und Planck sowie die Theoretiker Windscheid und Mandry
genannt. Dreizehn (I) Jahre war die Kommission an der Arbeit; das Ergebnis war der
„Entwurf erster Lesung“ und fünf Bände Motive; 1888 wurden Entwurf und Motive ver-
öffentlicht.
e) Es gingen nun zahlreiche Kritiken ein; sie lauteten überwiegend ungünstig für den
Entwurf: entweder völlige Verwerfung oder gründliche Umarbeitung war die Losung. Der
Bundesrat beschloß denn auch 1890, eine zweite Kommission zur Umarbeitung des ersten
Entwurfs zu bestellen; von Mitgliedern der ersten Kommission wurden in diese zweite über-
nommen: Gebhard (Baden), Planck (Preußen), Mandry (Württemberg); als neue Mitglieder
naten ein: die Praktiker Ohlschläger, Küntzel, Eichholz, Bosse, Hanauer, Struckmann (Preußen),
Jacubezky (Bayern), Rüger, Börner (Sachsen), Dittmar (Hessen), Wolffson (Hamburg); als
nicht ständige Mitglieder wurden außerdem zugezogen: drei Theoretiker (zwei juristische: von
Cuny und Sohm; ein nationalökonomischer: Conrad), drei Großgrundbesitzer, ein Bergwerks-
verständiger, ein Forstmann, ein Bankier, ein Industrieller, zwei Richter (Spahn, Hoffmann)
und ein Anwalt (Wilke); bei der Auswahl der unständigen Mitglieder war zugleich auf deren
parlamentarisch-politische Stellung Rücksicht genommen, so daß jede der Hauptparteien, aus-
genommen die sozialistische, in der neuen Kommission vertreten war; den Vorsitz führte zuletzt
Künpel. Die Kommission legte ihrer Beratung den Entwurf erster Lesung formell zugrunde,
hat ihn dann aber nach Sprache und Inhalt in überraschend großem Umfang abgeändert
und damit das mühselige Werk der ersten Kommission auf das schärfste desavouiert. Im
Oklober 1895 schloß sie den Gesamtentwurf ab; es geschah dies, wie es scheint, nicht, weil sie
selber fertig zu sein glaubte, sondern weil ein Befehl von oben her an sie erging, zum
Schluß zu kommen; so erklärt es sich, daß das BGB. noch jetzt, z. B. im Erbrecht, den
Eindruck des Unfertigen macht.
4) Darauf hat der Bundesrat selber noch eine Revision des Entwurfs unternommen,
jedoch keine sehr eingreifende. Schon im Januar 1896 ist der Bundesratsentwurf („Reichstags-
vorlage") mit einer Denkschrift dem Reichstage übergeben.
e) Der Reichstag s überwies den Entwurf einer Kommission; in ihr führte den Vorsitz
der Zentrumsabgeordnete Spahn; als Mutgglieder waren Vertreter sämtlicher Parteien ge-
wählt. Am 19. Juni begann die zweite Beratung des Entwurfs im Plenum des Reichs-
tuges und schloß am 27. Juni. Die dritte Lesung fand am 30. Juni und 1. Juli statt
und endigte mit der Annahme des Gesetzbuchs durch eine Mehrheit von 222 gegen eine
Minderbeit von 48 (sozialdemokratischen) Stimmen; 18 Abgeordnete enthielten sich der Ab-
stimmung; eine große Zahl von Abgeordneten war abwesend. Die Anderungen, die die
Kommission und das Plenum an dem Bundesratsentwurf vorgenommen, sind nicht un-
wichlig, beschränken sich aber auf eine geringe Anzahl von Rechtsfragen.
I) Demnächst ist das BGB. samt einem Einführungsgesetz vom Bundesrat genehmigt,
dom Kaiser am 18. August 1896 vollzogen und am 24. August 1896 im Reichsgesetzblatt als
Gesetz verkündet worden.
8) Als Beispiele der Anderungen, die die Entwürfe zum B#B. im Lauf der Zeit er-
2) Bierhaus bei B. u. F. 1 S. 46.
3) Störk, d. BGB. u. der Gesetzgebungsapparat (99).
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