Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

5 86. Zurückbehaltungsrecht. § 87. Lieferung von Zubehör. 375 
nämlich für gewisse Schuldverhältnisse das Zurückbehaltungsrecht erweitert und 
dem Gläubiger sogar wegen nicht fälliger Ansprüche zugestanden: namentlich 
gilt dies für das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (HGB. 369). Umgekehrt 
wird für manche Schuldverhältnisse das Zurückbehaltungsrecht beschränkt: so 
ist, wer einen Gegenstand durch Diebstahl oder ein andres vorsätzlich begangenes 
Delikt erlangt hat, den Gegenstand wegen seiner auf ihn bezüglichen Ansprüche 
zurückzubehalten nicht befugt (273 1). 
Streitig ist, ob das Verbot der Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen (394) 
auch auf die Zurückbehaltung gegenüber solchen Forderungen zu übertragen ist. Wie mir 
scheint, ist die Frage zu verneinen.10 
c) Veräußerung und Belastung von Sachen. 
§ 87. 
I. Ist jemand vertragsmäßig zur Veräußerung, Verpfändung oder sonstigen 
Belastung einer Sache verpflichtet, so erstreckt sich seine Verpflichtung im Zweifel 
auch auf das Zubehör der Sache (314). Doch gilt diese Regel bei individuell 
bestimmten Sachen zunächst nur für das Zubehör, das zur Zeit des Vertrags- 
schlusses tatsächlich vorhanden war; ob sie analog auch auf Zubehör anzuwenden 
ist, das damals nicht vorhanden war, aber nach den Regeln ordentlicher Wirt- 
schaft hätte vorhanden sein müssen, läßt sich für die verschiedenen Arten der Ver- 
träge nicht gleichmäßig entscheiden. 
Beispiele. I. 1. Wer einen individuell bestimmten Kleiderschrank oder Schreibtisch an 
jemanden zu veräußern, d. h. ihm zu übereignen verpflichtet ist, muß den zum Schrank oder 
Schreibtisch gehörigen Schlüssel, wenn er beim Vertragsschluß tatsächlich vorhanden war, 
mitliefern, mag seine Verpflichtung zur Veräußerung von Schrank oder Tisch auf einem 
Kauf oder einem Tausch oder einer Schenkung beruhn. 2. Dagegen braucht er, wenn der 
Schlüssel zur Zeit des Vertragsschlusses verloren war, einen neuen Schlüssel nur im Fall 
des Kaufs oder Tausches (459, 515), nicht aber auch im Fall der Schenkung anzuschaffen. 
II. Bezog sich die Verpflichtung zur Veräußerung auf einen nur der Gattung nach be- 
stimmten Schrank oder Tisch, so muß ein Schlüssel unter allen Umständen mitgeliefert werden; 
ob er bei dem vom Schuldner ausgesuchten Exemplar von Schrank oder Tisch tatsächlich 
vorhanden und ob der Vertrag, auf dem die Lieferpflicht beruht, ein Kauf, ein Tausch oder 
eine Schenkung war, macht in diesem Fall keinen Unterschied (243 1). III. Siehe auch das 
erste Beispiel oben S. 255 IV. 
Ubrigens ist nicht zu bezweifeln, daß die Regel zu 1 analog auch auf Verträge an- 
zuwenden ist, die nicht auf die Veräußerung und Belastung, sondern z. B. auf das Ver- 
leihen einer Sache gehn (242). 
Ob ein Vertrag, der auf die Veräußerung oder Belastung einer Sache gerichtet ist, 
sich auch auf die Früchte mit bezieht, die vor oder nach Abschluß des Vertrages von der 
Sache getrennt sind, läßt sich nicht allgemein entscheiden (s. 446). 
II. Ein Vertrag, durch den sich jemand zur Veräußerung eines Grund- 
stücks verpflichtet, bedarf zu seiner Gültigkeit der gerichtlichen oder notariellen 
Beurkundung. Doch wird ein Vertrag, der ohne Beobachtung dieser Form 
10) Pappenheim, D. Jur. Ztg. 7 S. 86; Wolff, Arch. f. BR. 26 S. 316.
	        
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