384 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
Strafrecht bei der Bemessung des Strafmaßes oder bei der Entscheidung der
Frage nach mildernden Umständen.
Beispiele. I. Wendet man unfre Formel auf die zu 1. behandelten Fälle an, so wird
man dazu gelangen, im ersten Fall B. und C. wegen des Konzertausfalls für haftbar, im
zweiten und dritten Fall D. wegen der Wiederherstellung des eignen Wagens, F. wegen
des Pelzes des G. für haftfrei zu erklären. II. Siehe auch unten das Beispiel bei c.
Bei der Würdigung unfrer Formel beachte man wohl, daß zwei Fragen voneinander
unterschieden werden müssen, nämlich die Vorfrage, „ist x die Folge des den A. zu Schadens-
ersatz verpflichtenden Umstandes 7?“ und die Nachfrage, „muß, wenn die Vorfrage bejaht
wird, A. die Folge x juristisch vertreten“"“? Wenn unfre Formel bei Bemessung der Schadens-
ersatzpflicht die Billigkeit walten lassen will, gilt dies selbstverständlich nicht für die Vor-,
sondern nur für die Nachfrage. Anders ausgedrückt: wenn die Vorfrage verneint wird, ist für
Billigkeitserwägungen überhaupt kein Raum mehr, weil hier eine Schadensersatzpflicht von vorn-
herein ausgeschlossen ist. — Beispiel. A.s Nachbarn B. C. und D. haben Gründe, dem Hunde
des A. nach dem Leben zu trachten; demgemäß gibt B. ihm am 1. Mai morgens eine Dosis
Gift, die binnen drei Tagen unbedingt tödlich wirken muß; C. tut genau dasselbe am 1. Mai
abends; D. endlich schießt den Hund am 2. Mai morgens, noch ehe das Gift seine Wirkung
gezeigt hatte, tot; alle drei haben unabhängig voneinander gehandelt. Hier sind B. und D.
dem A. haftbar, weil alle beide den Hund geschädigt haben, während C. haftfrei ist, weil
das, was er getan, dem Hunde tatsächlich keinen Schaden zugefügt hat; und zwar haftet B.
strenger als D., weil er es war, der den Hund aus einem gesunden zu einem totkranken
Tier gemacht und damit völlig entwertet hat, während D. nichts andres erreicht hat, als
das Leben eines totkranken Hundes um längstens zwei elende Tage zu verkürzen. Ob diese
Entscheidung, die in so eigentümlicher Weise milde gegen C. und hart gegen B. ist, als
„billig“ bezeichnet werden darf, ist unerheblich.
I) Die zu b aufgestellte Formel ist äußerst unbestimmt. Man hat deshalb
versucht, sie präziser zu gestalten. Namentlich ist man bestrebt gewesen, für
den Fall, daß eine Folge des zum Ersatz verpflichtenden Umstandes nicht allein
durch ihn, sondern durch ihn in Verbindung mit andern von dem Schuldner
nicht zu vertretenden Umständen verursacht ist, für die verhältnismäßige Be-
wertung dieser verschiedenen Ursachen feste Regeln aufzustellen. Vor allem
hat Beifall eine Theorie gefunden, laut derer der zum Ersatz verpflichtende
Umstand juristisch nur dann als Ursache der aus ihm entspringenden Folgen
gelten solle, wenn der Kausalzusammenhang zwischen ihm und seiner Folge
ein „adäquater“ sei, d. h. wenn jener Umstand „die objektive Möglichkeit des
Eintritts der Folge generell in nicht unerheblicher Weise erhöht habe“." Doch
ist zu bezweifeln, daß diese arg scholastische Theorie einen Fortschritt bedeutet.
Beispiel. A. versetzt dem B., obschon dieser ihm gar nichts zuleide getan hat, mit
seinem Stock einen derben Schlag über den Rücken; der Schlag war wohl geeignet, dem B.
sehr wehe zu tun;z tatsächlich kostet er ihm sogar das Leben, jedoch nur deshalb, weil B. an
einem schweren Herzfehler litt; A. hat von dieser Komplikation nichts gewußt und deshalb
daran, daß der Schlag den B. töten konnte, nicht gedacht. I. Hier muß A., wenn man sich
lediglich an die gesetzliche Formel hält, für den Tod B.s unbedingt Schadensersatz leisten.
3) Dernburg, BR. 2 § 27 II, Planck Anm. 2 b zu § 249.
4) So in mannigsach verschiedener Formulierung z. B. v. Kries, VJSchr. f. wissensch.
Philosophie 12 S. 180; Crome 1 § 108; M. Rümelin, Arch. f. ziv. Pr. 90 S. 171;
Träger, Kausalbegriff (04); Ortmann, Anm. 4 vor § 249; Rumpf, Jahrb. f. Dogm. 49
S. 333; Haß, ebenda 37 S. 346. Siehe auch Endemann 1 S 736.