388 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
nach dieser Theorie noch weiter gehn und „je nach den Umständen“ eine Schadensersatzpflicht
auch dann ganz oder teilweise ausschließen, wenn der Geschädigte oder seine Gehülfen den
Schaden zwar nicht subjektiv mit verschuldet, aber doch objektiv mit verursacht haben.Ö Das
wird namentlich dann zulässig sein, wenn die Schadensersatzpflicht auch auf seiten des
Schuldners kein Verschulden voraussetzt.
VI. Der Schadensersatz kann in zweifacher Art geleistet werden: entweder
stellt der Schuldner den Zustand her, der bestehn würde, wenn das schaden-
bringende Ereignis nicht eingetreten wäre, oder er läßt den Zustand bestehn,
wie er tatsächlich entstanden ist, und leistet dafür eine Vergütung des Schadens
in Geld. Kürzer können wir die beiden Arten des Schadensersatzes als
„Schadensbeseitigung“ und „Geldersatz“ bezeichnen. 1
1. Regelmäßig kann der Gläubiger zunächst bloß Schadensbeseitigung
fordern (249 Satz 1). Er kann aber dem Schuldner eine angemessene Frist
stellen, binnen deren die Schadensbeseitigung vorzunehmen ist, und ihm erklären,
daß er nach Ablauf der Frist eine Schadensbeseitigung ablehne; läßt der
Schuldner die Frist ungenutzt verstreichen, 12 so erlischt der Anspruch des Gläu-
bigers auf Schadensbeseitigung; an seine Stelle tritt nunmehr ein Anspruch
auf Geldersatz (250). Soweit eine Schadensbeseitigung durch den Schuldner
nicht möglich ist, bedarf es einer Fristsetzung natürlich nicht; der Gläubiger
kann vielmehr in diesem Fall den Geldersatz sofort verlangen (251 .
2. Diese Regel wird zugunsten des Gläubigers geändert, wenn es sich
um Schadensersatz für die Beschädigung einer Person oder einer Sache handelt.
Der Gläubiger kann nämlich in diesem Fall von vornherein auf die Schadens-
beseitigung durch den Schuldner verzichten und statt ihrer vom Schuldner den
dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (249 Satz 2).
3. Umgekehrt wird die Regel zugunsten des Schuldners gemildert: es
wird diesem gestattet, den Gläubiger in Geld zu entschädigen, wenn die
Schadensbeseitigung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist
(251 1).
4. Insoweit als der Schaden nicht das Vermögen des Beschädigten be-
trifft, kann nur die Schadensbeseitigung gefordert werden; ein Ersatz in Geld
ist hier ausgeschlossen, selbst wenn die Schadensbeseitigung nicht möglich ist
(253). Nur bei einigen Delikten gilt eine Ausnahme (847; s. auch 1300).13
Beispiele. I. Eine Schauspielerin findet in einem Schaufenster ihr Bild in beleidigender
Gesellschaft von Dirnenbildern. Hier kann sie nur Schadensbeseitigung fordern, nämlich Weg-
nahme des Bildes, nicht aber Geldersatz für den Kummer, den jene Schaustellung ihr be-
reitet. II. A. zertrümmert ein kleines Bild, das die Braut des B. gemalt und ihm als
Verlobungsgeschenk gewidmet hat; das Bild ist dem B. um 1000 Mk. nicht feil. Hier
braucht A. das „Affektionsinteresse“ des B. nicht zu ersetzen, sondern nur den Vermögens-
wert des Bildchens, bekommt also nicht 1000 Mk., sondern vielleicht 50 Pfennig Schadensersatz.
10) Siehe Endemann 1 § 1326.
11) v. Tuhr, Jahrb. f. Dogm. 46 S. 39.
12) Siehe unten § 123 III, 2c.
13) RG. 60 S. 20; 65 S. 17.